Die heldenhaften Jahre der Kirschkernspuckerbande: Roman (German Edition)
was ich sage, scheint nicht mehr wichtig. Ist doch auch logisch: Ich sitze den ganzen Tag zu Hause, und das Spannendste, was ich ihm erzählen kann, ist, dass die Geschirrspülmaschine kaputtgegangen ist.«
»Ja, das nervt. Diese ganze Kleinkacke«, mischte sich Dille ein. »Ist bei mir dasselbe. Ich komm nach zehn Stunden aus dem Supermarkt nach Hause, und Petra rennt sofort mit diesem ganzen öden Spießerkram auf mich zu: dass ich vergessen hab, den Plastikmüll rauszubringen, und dass ich noch den Wisch für die Krankenkasse abschicken muss … bla bla bla. So hab ich mir mein Leben auch nicht vorgestellt. So läppisch.«
Jörn schaute Dille nachdenklich an. »Immerhin hat Petra Adrian«, sagte er. »Sie hat eine Aufgabe. Aber ich hab nichts. Wahrscheinlich bin ich deshalb so bedürftig. Ich bettle ja schon fast um Svens Aufmerksamkeit.«
»Nee, Gott sei Dank«, sagte Dille, »betteln tut Petra nicht. Ich bin ja auch aufmerksam. Ich liebe sie ja. Volle Kanne sogar und so. Aber ich kann doch nicht die ganze Zeit zu Hause diesen Kleinscheiß runterreißen. Das ist doch kein Leben.«
Piet schaute die beiden gedankenverloren an. Ob sich Frauen auch permanent die Frage stellen, ob da noch mehr ist, ob man etwas verpasst, wo das Abenteuer bleibt, die Überraschung, die Action? Oder sind es wirklich nur die Männer, die unentwegt das Gefühl haben, nicht alles auszuschöpfen, was das Leben ihnen offeriert? Kann der Jäger niemals ein glücklich domestizierter Höhlenbewohner werden, weil die Jagd einfach zu sehr in ihm steckt?
»Ich denke …«, hob Piet an, als ihm plötzlich etwas Zappelndes und Kaltes auf den Rücken klatschte. Er sprang erschrocken auf und kreischte: »Ah, was ist das?! Auf meinem Rücken! Macht das weg!«
Er hüpfte wie wild hin und her, schüttelte sich und schlug mit den Armen auf seinen Rücken. Dille und Jörn sprangen auf, um ihm zu helfen, da erklang das schallende, dröhnende Gelächter von sieben betrunkenen Männern.
»Ey, hast du gesehen, wie die Schwuchtel gesprungen ist?«, rief einer prustend.
»Und kreischt wie ein kleines Mädchen!«, lachte ein anderer.
Dille hatte inzwischen zur Taschenlampe gegriffen und fing mit dem Lichtschein gerade noch eine etwa zwanzig Zentimeter lange Schlange ein, die eilig ins Unterholz entschwand.
Die Männer kriegten sich nicht mehr ein vor Lachen.
»Guter Wurf!«, lobte Armin einen der Typen. Armins Sprache war schwer und schleppend. Er war total betrunken.
»Seid ihr verrückt?!«, schrie Piet. »Was ist, wenn die giftig war?!«
»Das war ’ne harmlose Natter, du Schisser«, lachte der Mann, der die Schlange geworfen hatte.
»Echt, was wollt ihr hier überhaupt?!«, grölte Sandro, der Navy-Seals-Fan. »Geht doch in ein Musical oder macht Pilates oder was ihr Typen so treibt …«
»Ja, verpisst euch!«, donnerte ein anderer.
Piet kochte vor Wut, das Testosteron pumpte ganz von selbst durch seinen Körper. Doch er war zu nüchtern und zu vernünftig, um einen direkten Konflikt mit den betrunkenen Bullys zu riskieren.
»Schwachköpfe«, zischte Jörn.
Doch die vermeintliche Beleidigung erheiterte die Möchtegernguerillas nur noch mehr. Der Vorwurf mangelnder Intelligenz schien ihnen nicht gravierend. Sie drehten sich wieder weg, feixten und öffneten neue Bierflaschen, lachten und laberten und schenkten den drei ausgestoßenen Ex-Guerillas keinerlei Aufmerksamkeit mehr.
Dille fühlte sich saublöd. Was für Vollpfosten warfen denn mit Schlangen? Nach dieser Aktion wurde ihm klar, wie sehr er sich zum Affen gemacht hatte, als er versucht hatte, sich bei diesen geistig tiefergelegten Primaten anzubiedern. Er stand nicht auf deren Seite, sondern auf der seiner Freunde. Wie hatte er das aus den Augen verlieren können? Dille wandte seine Aufmerksamkeit also wieder Piet und Jörn zu, die gerade beratschlagten, wie sie möglichst schnell möglichst viel Abstand zwischen sich und die Idioten bringen konnten. Dille hatte eine Idee, und die drei tüftelten flüsternd einen Plan aus, wie sie sich unauffällig absetzen und diesen Arschlöchern obendrein auch noch eins auswischen konnten.
Um ein Uhr nachts hatten sich die sieben Kämpfer betrunken in ihre Zelte verkrümelt. Sie schliefen offenbar, mindestens drei von ihnen schnarchten ohrenbetäubend. Piet, Dille und Jörn schlichen vorsichtig zwischen den Zelten hindurch, bis sie vor dem Zelt standen, in dem sich die Geiseln befanden. Piet öffnete den Reißverschluss und kletterte hinein.
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