Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler
Marchthaler, Gott hab ihn selig, hat mir vor vielen Jahren einen Bund machen lassen, weil er zu faul war, mich immer zu den Torturen zu begleiten. Marchthaler ist schon lange tot, von diesem Bund weiß vermutlich keiner außer mir, und jetzt dir.«
Caroline Teuber stand von der Truhe auf und nahm ihrem Mann die Schlüssel aus der Hand.
»Weißt du, wie gefährlich das ist?«, zischte sie. »Es gibt immer noch die Wachen. Wenn nur der geringste Verdacht auf dich fällt, werden sie dich hängen und mich und die Kinder aus der Stadt prügeln!«
Der Regensburger Scharfrichter fasste seine Frau bei den Schultern, linkisch streichelte er ihr mit seiner Pranke über die Wange.
»Wir haben immer alles gemeinsam entschieden«, flüsterte er. »Ich würde es niemals tun, wenn du dagegen wärst.«
Lange Zeit herrschte Schweigen. Nur das Jammern des Kleinsten war durch die Tür zu hören. Offenbar suchte er nach seiner Mutter.
»Die Bälger lieben dich abgöttisch«, sagte seine Frau unvermittelt. »Wenn dir etwas geschieht, werden sie dir das nie verzeihen.«
Teuber strich ihr sanft eine Locke aus der Stirn. »Sie würden’s mir auch nicht verzeihen, wenn ich ein gewissenloser, feiger Hund wär.« Er lächelte schief. »Und du? Könntest du so jemanden lieben?«
Caroline Teuber gab ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange. »Sei still, dummer Bär. Ist er denn wirklich unschuldig?«
Teuber nickte. »So unschuldig wie du und ich.«
CarolineTeuber schloss die Augen und atmete tief durch. »Dann tu’s schon bald. Je schneller wir die Sach hinter uns bringen, umso besser. Und jetzt lass mich zurück zu den Kindern.«
Sie entwand sich seiner Umarmung und ging auf die Stubentür zu. Philipp Teuber sah kurz, wie eine einzelne Träne über ihr Gesicht rollte. Schnell wischte sie sie fort; schon kurz darauf hörte er sie drüben mit den Kindern schimpfen, die offenbar den Honigtopf geplündert hatten.
Philipp Teuber stand wie ein Fels in der Stube und knetete mit schweißnassen Fingern den Schlüsselbund, so dass er den rostigen Ring fast verbog. Er liebte seine Frau und seine Kinder, mehr als alles andere in der Welt. Doch diesmal musste er seinem Gewissen folgen.
Noch einmal glitt sein Blick über die Inschrift auf dem Schwert.
Weich nicht von mir, o starker Gott.
Der Regensburger Scharfrichter murmelte die Worte wie einen Zauberspruch. Dann wandte er sich wieder dem Schrank zu, in dem neben den mit Tontiegeln gefüllten Regalen unzählige Kräutersträußchen und aromatisch duftende Beutel hingen. Sorgfältig ging er die Inventarliste durch. Er würde noch einige weitere Zutaten brauchen und mit ein paar Leuten reden müssen; Bestechungsgelder mussten fließen und Spuren verwischt werden. Ein, zwei Tage würde er benötigen, vielleicht sogar länger, wenn etwas nicht sofort klappte.
Philipp Teuber hoffte inständig, dass er mit allem fertig wurde, bevor der Schongauer Henker endgültig zusammenbrach.
Das Auge starrte auf den leblosen Leib der Dirne, die nun schon so viele Tage im Keller dieses Hauses verbracht hatte.Seit Stunden hatte Katharina sich nicht mehr gerührt, ihr zunächst stoßweiser Atem war weniger und weniger geworden, nun schien sich der Brustkorb gar nicht mehr zu heben. Eine Lache getrockneten Bluts umrahmte wie glänzendes Siegelwachs den Kopf der Frau.
Das Experiment ging seinem Ende entgegen.
Minutiös hatte das Auge den Niedergang der Katharina Sonnleitner, Tochter eines Leinfärbers und langjährige Regensburger Hübschlerin, festgehalten. Nach exakt sieben Tagen und vier Stunden des Martyriums hatte sie sich schließlich die Kleider vom Leib gerissen und die Haut blutig gekratzt, bis an manchen Stellen das Fleisch zum Vorschein kam. Interessiert hatte Katharina die schwarzen Flecken an ihrem Körper betrachtet und dann versucht, sich die Finger abzubeißen. Später rannte sie mehrere Stunden von einer Ecke der Kammer in die andere, wobei sie gelegentlich mit der Stirn an die Mauer schlug. Sie wedelte mit den Armen, als würde sie unsichtbare Geister vertreiben, sie schrie und zeterte, nur um im nächsten Moment fast an einem Lachkrampf zu ersticken. Wie ein Kreisel tobte Katharina Sonnleitner durch ihre kleine Zelle, bis sie plötzlich frontal mit dem Kopf gegen die Wand krachte und zu Boden stürzte.
In diesem Augenblick hatte das Auge kurz geblinzelt.
Er hätte es ahnen können, so etwas war ärgerlich! Das war bereits das fünfte Mal, dass etwas schiefging! Meist waren die Portionen
Weitere Kostenlose Bücher