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Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler

Titel: Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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nächsten Stunden nichts Auffälliges geschehen.
    Doch plötzlich, schon weit nach Mitternacht, öffnete sich das fest versperrte, massive Portal des Patrizierpalastes, und kein anderer als Paulus Mämminger persönlich huschte hinaus auf die Gasse. Er trug einen Umhang und einen tief ins Gesicht gezogenen Hut, so dass ihn die vor sich hin dösenden Bettler fast nicht erkannt hätten.
    Als sie es schließlich taten, benachrichtigten sie umgehend Simon und Magdalena. Selbst dem dümmsten Vagabunden war klar, dass ein Patrizier, der um diese nachtschlafende Zeit, noch dazu ohne Bewachung, durch Regensburg schlich, ein Geheimnis haben musste.
    Sie schienen kurz davor, es zu lüften.
    Kuisl, gesteh … Noch eine Drehung … Gesteh … Schieb ihm die Schwefelhölzer unter … Gesteh … Zieh die Schrauben fester … Lass ihn die Rute spüren … Gesteh, gesteh, gesteh …
    JakobKuisl wälzte sich hin und her, die Schmerzen brandeten wie große Wellen durch seinen Körper. Immer wenn der Schmerz an einer Stelle in ein dumpfes Pochen übergegangen war, tauchte er woanders kreischend wieder auf. Ein verzehrendes Feuer, das selbst jetzt, als Kuisl in der Nacht dahindämmerte, an ihm nagte und sich in seine Träume schlich.
    Der Schongauer Henker kannte alle Torturen, er hatte die meisten von ihnen schon selbst angewandt, er hatte den Schmerz in Hunderten von Augen blitzen sehen, und jetzt spürte er ihn am eigenen Leib.
    Er hatte gedacht, dass er mehr aushalten könnte.
    Drei Tage Folter lagen mittlerweile hinter ihm. Am zweiten Tag hatten sie abgebrochen, bevor sein rechter Arm auch noch ausgekugelt war. Nicht, um ihn zu schonen, da war sich Kuisl sicher, sondern nur um dafür zu sorgen, dass sein Körper auch für die weiteren Torturen noch zu gebrauchen war. Am heutigen Tag hatten sie deshalb vormittags zunächst mit dem Spanischen Esel begonnen, einem senkrecht stehenden Brett mit scharfer Oberkante, auf dem Kuisl sitzen musste, während seine Beine mit Steinen nach unten gezogen wurden. Am Nachmittag hatte der Regensburger Scharfrichter ihm dann immer wieder die Daumen- und Beinschrauben angelegt und brennende Schwefelhölzer unter seine Fingernägel geschoben.
    Kuisl hatte geschwiegen, kein weiterer Schrei war mehr über seine Lippen gekommen, nur ab und zu ein gellendes Fluchen, in das er seine ganze Kraft legte. Und immer wieder war hinter dem Gitter die Stimme des dritten Mannes zu hören gewesen.
    Du hast doch Kinder, nicht wahr? Und auch eine schöne Frau … Zieh die Schrauben fester … Gesteh …
    Der Mann kannte Kuisls Familie, er kannte den Namenseiner Frau, er wusste alles über ihn. Ein Schatten hinter dem Holzgitter, ein Dämon aus seiner Vergangenheit, den Kuisl nicht fassen konnte.
    Wer war dieser Mann? Wer war Weidenfeld?
    Am dritten Tag der Peinlichen Befragung hatten sie vormittags auch den sogenannten Jungfrauenschoß angewendet, ein mit spitzen Holzkegeln gespickter Stuhl, auf dem man stundenlang mit bloßem Hintern sitzen musste, während sich die Dornen ins Fleisch gruben. Nachmittags hatte ihn Teuber noch einmal auf die Streckbank gelegt und ihm beinahe auch noch das rechte Schultergelenk ausgekugelt.
    Es war während dieser Folter gewesen, als der unbekannte Dritte zu seinem nächsten Schlag ausholte. Ganz beiläufig, so dass die beiden anderen Fragherren es gar nicht mitbekamen, hatte er zwischen all den Befehlen einige Worte geflüstert, die Jakob Kuisl bis ins Mark trafen.
    Glaub nur nicht, dass deine Tochter dir hier helfen kann …
    Es waren diese Sätze gewesen, die Kuisl kurz den Boden unter den Füßen wegzogen. Der dritte Mann kannte nicht nur seine Frau, er kannte auch seine Tochter! Und er wusste, dass sie hier in Regensburg war! Hatte er vielleicht den Brief abgefangen? War sie möglicherweise schon in seiner Gewalt?
    Trotz der Fesseln war es Jakob Kuisl beinahe gelungen, sich von der Streckbank loszureißen. Es hatte die vereinte Kraft von vier Stadtknechten gebraucht, um ihn wieder auf das Brett zu drücken und neu festzuschnallen. Von da an hatte Kuisl kein Wort mehr gesprochen, und so hatten ihn die Büttel schließlich zurück in seine Zelle gebracht. Drei Männer waren dafür nötig gewesen, denn Jakob Kuisl konnte mit den gequetschten Beinen nicht mehr laufen,sein linker Arm hing schlaff herab, und seine Hände waren leuchtend violett und angeschwollen wie Schweinsblasen.
    Stöhnend durchlebte er in seinem Kerker einen nicht endenwollenden Alptraum; er dämmerte im

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