Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler
den Augenwinkeln zu beobachten, machte aber keine Anstalten, näher zu kommen.
»Lass uns noch einmal zusammenfassen, was wir bisher wissen«, sagte Magdalena und kaute auf einem Strohhalm. »Der Bader Andreas Hofmann und seine Frau, meine Tante, werden umgebracht. Sie gehören zu diesen Freien, die gegen die Herrschaft der Patrizier kämpfen und dessen Oberhaupt der Regensburger Floßmeister ist. Hofmann ist seine rechte Hand, seine Tarnung fliegt auf, under muss sterben. Ein Racheakt der Patrizier, um andere Umstürzler einzuschüchtern.«
»Dein Vater wird zum Sündenbock gemacht«, ergänzte Simon. »Er bekommt einen gefälschten Brief seiner ach so kranken Schwester, reist nach Regensburg und wird am Tatort verhaftet, um den Verdacht von den Patriziern abzulenken. So weit, so gut. Aber im Keller des Baderhauses befindet sich eine geheime Alchimistenküche. Danach hat offenbar jemand gesucht, und zwar ein Fremder mit Rapier, der uns nach dem Leben trachtet und der seine Aufträge von keinem Geringeren als dem Regensburger Stadtkämmerer erhält.«
Magdalena nickte. »Paulus Mämminger. Bei ihm läuft alles zusammen. Er ist die einzige Spur, der wir wirklich folgen können.«
»Und wie willst du das tun?«, fragte Simon. »Ihn rund um die Uhr beschatten? Dieser Mann ist einer der mächtigsten Patrizier Regensburgs! Das wird nicht leicht sein. Dafür brauchst du eine Armee.«
Magdalena grinste. »Du vergisst, dass wir eine solche haben.« Sie deutete auf die Bettler und auf Nathan, der fröhlich mit dem Humpen zu ihnen hinüberprostete.
»Sie warten nur darauf, dass sie jemand in den Krieg schickt.«
Philipp Teuber schlurfte von der Fragstatt heim zu seiner Familie, als ginge er zu seiner eigenen Hinrichtung. Den ganzen Vormittag hatte er Jakob Kuisl weiter torquieren müssen, schon am Nachmittag sollte es weitergehen. Teuber fühlte sich um Jahre gealtert, und nicht einmal die Aussicht auf ein warmes Mittagessen zu Hause konnte an seinem Gemütszustand etwas ändern.
Das Haus des Regensburger Scharfrichters lag im Henkersgässchen,in einem heruntergekommenen Viertel südlich des Alten Kornmarkts, wo die Wege schmutzig und die Dächer schief und krumm waren. Das schmucke Anwesen wirkte zwischen den verfallenen Nachbarhäusern zur Linken und Rechten fast ein wenig fehl am Platz. Es hatte einen frischen weißen Anstrich, der Garten dahinter war gepflegt und duftete nach Rosen und Lavendelblüten, in einer frisch gezimmerten Scheune daneben standen Vieh und Schinderkarren. Philipp Teuber war kein armer Mann, in einer freien Reichsstadt wie Regensburg verdiente der Henker gut. Außerdem kamen fast täglich Menschen zu ihm, die Arznei oder einen Talisman kaufen wollten, darunter auch betuchte Bürger, die ihr Gesicht verhüllten, wenn sie durch die stinkenden Gassen des Viertels schlichen.
Gebückt und blass öffnete der Henker die Tür zu seinem Heim und war sofort von einer Schar fröhlicher Kinder umgeben. Normalerweise warf Teuber, wenn er nach Hause kam, jedes einzelne seiner fünf Bälger hoch in die Luft und drückte es an seine breite Brust, doch heute schob er die lärmende Meute schweigend beiseite und setzte sich an den Tisch, auf den seine Frau Caroline bereits eine dampfende Schüssel mit Fleischbrühe und Kutteln gestellt hatte. Dem hart arbeitenden Vater gebührte der erste Löffel; erst als er lustlos probiert hatte, fielen die fünf Kinder wie hungrige Wölfe über die Schüssel her. Gedankenverloren sah Teuber den anderen beim Essen zu, er selbst rührte nur darin herum.
»Was ist bloß los mit dir, Philipp?«, fragte seine Frau, während sie das plärrende Kleinste auf ihrem Schoß fütterte. »Wenn du so weitermachst, fällst du mir noch vom Fleisch. Seit Tagen kriegst du keinen Bissen hinunter. Ist es immer noch wegen diesem Schongauer Henker?«
Teubernickte und starrte wie versteinert in die Suppe auf dem hölzernen Löffel, auf der ein schillerndes Fettauge schwamm. Noch immer schwieg er.
»Papa, kann ich deine Kutteln haben?«, fragte sein Ältester. Es war der rothaarige Benjamin, der Magdalena heute früh den Brief überbracht hatte. Als sein Vater nicht antwortete, deutete der Junge auf die wenigen grauen Brocken in der Suppe und wiederholte die Frage. »Papa, kann ich …«
»In drei Teufels Namen, rutscht mir doch allesamt den Buckel runter!«
Philipp Teuber schlug mit der flachen Hand auf den Tisch, so dass die Schüssel einige Fingerbreit hochsprang und die Kinder entsetzt
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