Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler
ohnmächtigen Regensburger Scharfrichter, der vor ihnen auf der Mole lag. Doch es war offensichtlich, dass sie die Menge nicht mehr lange würden zurückhalten können.
»Holt einen von den Stadtoberen!«, brüllte ein ranghöherer Wachtmeister den anderen Bütteln zu und stemmte sich gegen zwei Bauernburschen, die bereits ihre Messer gezogen hatten. »Am besten gleich den Mämminger! Sofort!Bevor die den Teuber an Ort und Stelle umbringen. Lauft schon, verdammt!«
Eine der Wachen löste sich aus dem Ring und rannte auf die Stadt zu. Hinter ihm zog sich die Menge zu einem einzigen kreischenden, wütenden Wesen zusammen, das gegen die verzweifelten Büttel anstürmte. Als Jakob Kuisl in die Augen der krakeelenden Menschen schaute, sah er darin ein kaltes Funkeln wie in den Augen von Tieren.
Wie Raubtiere , dachte er. So sehen sie immer aus bei einer Hinrichtung.
Diesmal würde es seine eigene sein.
»Nathan!«, rief Simon, als er aus dem Dunkel der Brunnstube ans Tageslicht stolperte. »Ich hätte es wissen müssen!«
Der Bettlerkönig zählte gerade einige funkelnde Münzen ab und verteilte sie an die umstehenden Bettler. Nur äußerst unwillig sah er von seiner Arbeit auf.
»Wie meinen?«, knurrte er.
»Du also hast dem Kämmerer erzählt, dass wir hier sind!«, schrie der Medicus und trat dem Bettler zornig gegen das Schienbein. »Für wen arbeitest du noch? Für den Kaiser? Den Papst? Die Jungfrau Maria?«
Nathan rieb sich mit schmerzverzerrtem Gesicht die wunde Stelle. »Warum nicht? Wenn sie genug zahlt.« Schließlich grinste er. »Sei doch froh. Ohne den werten Herrn Kämmerer wärst du jetzt Fischfutter. Und deine kleine Freundin würde sich wahrscheinlich kichernd und toll vor Wahnsinn die Augen auskratzen. Also stell dich nicht so an.«
»Wunderbar«, murmelte Simon. »Aus der Brunnstube befreit, nur damit wir jetzt wegen Brandstiftung und was weiß ich noch alles auf dem Scheiterhaufen landen. Danke schön.«
Plötzlichspürte er die Hand des Kämmerers auf seiner Schulter.
»Wir arbeiten schon lang mit Nathan zusammen«, sagte Paulus Mämminger, der hinter Simon aus der Brunnstube gekommen war. »Er hat uns auf dem Laufenden gehalten, seitdem ihr bei den Bettlern untergekrochen seid.«
»Also doch«, flüsterte Simon. Doch der Kämmerer schien ihn nicht gehört zu haben.
»Ich wusste einfach nicht, welche Rolle Ihr in diesem Stück spielt«, fuhr Mämminger fort. Er nahm seine rote Amtshaube ab und fuhr sich über die schweißüberströmte Stirn. »Deshalb ließ ich Euch von Nathan beobachten. Als mir dann klar wurde, dass Ihr mit dem Pulver nichts zu tun habt, war es leider zu spät. Ihr hattet beim Bischof Unterschlupf gefunden, dort konnte ich Euch nicht mehr helfen.«
»Ihr wusstet von dem Pulver?«, fragte Magdalena, die mit nassen Kleidern und Haaren in der grellen Sonne stand und den Kämmerer argwöhnisch musterte. »Warum habt Ihr Silvio Contarini dann nicht das Handwerk gelegt?«
Paulus Mämminger wog bedächtig den Kopf. »Wir ahnten, dass die Freien auf dem kommenden Reichstag etwas vorhatten, mehr nicht. Und wir hatten gehört, dass der Bader Hofmann irgendwo in seinem Haus alchimistische Experimente betrieb. Ich hatte Heinrich von Bütten gebeten, mehr darüber herauszufinden.«
»Der kaiserliche Agent«, unterbrach ihn Simon leise. »Wir dachten lange, er sollte uns aus dem Weg räumen.«
Mämminger schüttelte den Kopf. »Sein Auftrag war lediglich, mehr über euch beide in Erfahrung zu bringen. Später wollte er euch sogar vor Silvio Contarini warnen. Aberder Venezianer hat es ja immer wieder geschafft, euch abzulenken.« Schweißtropfen perlten über Mämmingers Kneifer, und er nahm ihn herunter, um ihn zu polieren. »Heinrich von Bütten war der beste Agent des Kaisers«, fuhr er fort. »Ein brillanter Fechter, dabei unauffällig, klug und unbestechlich. Leopold I. wollte ihn als Spion auf dem Regensburger Reichstag einsetzen. Seine Exzellenz wird es nicht gern hören, dass er tot ist.« Mämminger seufzte. »Von Bütten hatte Silvio Contarini schon lange im Verdacht, für den Großwesir zu arbeiten. Als er den Venezianer dann zusammen mit einer schönen Unbekannten sah, begannen wir uns umzuhören. Und siehe da …« Er lächelte Magdalena an. »Die schöne Unbekannte ist die Nichte jenes Baders, der im Verdacht steht, ein Komplott gegen den Kaiser zu schmieden. Da haben wir uns natürlich ein paar Gedanken gemacht. Noch dazu, als sich herausstellte, dass ihr Vater
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