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Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler

Titel: Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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zum Leben erwacht war und nun losgelöst von seinem irdischen Körper durch den dunklen Korridor geisterte. Der schmale Strich eines Degens fuhr in die Höhe und stach zu, doch der andere Schemen wich aus und gab seinem Gegenüber einen Schubs, so dass dieser taumelte und ins Wasser stürzte. Einen Augenblick später stieß er wieder an die Oberfläche und warf sich auf seinen Gegner. Kurz ballten sich die Schatten zu einem einzigen, dichten Knäuel zusammen, nur um wieder auseinanderzufahren und sich erneut ineinander zu verkeilen.
    »Simon! Halt aus, ich helf dir!«
    Magdalena watete durch das eiskalte Wasser, das ihr bis zum Bauchnabel reichte. Sie hatte das Gefühl, als würde sie durch dicken Morast stapfen, ein endloser Sumpf, der zwischen ihr und Simon lag. Gedämpft durch das Rauschen der einzelnen Quellen hörte sie hinter sich noch immer die Schreie der Bettler und Flößer. Hektisch nestelte sie unterdessen an den Fesseln um ihre Handgelenke, die sich mehr und mehr lockerten. Erst nach einer Weile gelang es ihr, den Strick abzustreifen.
    In der Zwischenzeit hatte einer der Kontrahenten die Oberhandgewonnen. Er drückte den anderen unter Wasser, bis dessen Bewegungen immer zielloser wurden und schließlich in wilde Zuckungen übergingen. Jetzt war Magdalena endlich so nah, dass sie das Gesicht des Mannes sehen konnte, der den Kampf für sich entschieden hatte.
    Es war die Fratze Silvios, blass und umrahmt von nassen, strähnigen Haaren; in den Augen der konzentrierte, teilnahmslose Ausdruck eines Berufsmörders. In wenigen Sekunden würde der Venezianer Simon erwürgt haben.
    »Neeeiiiiiin!«, schrie Magdalena und hörte, wie ihre Stimme von den Wänden widerhallte. »Simon! Mein Gott, Simon!«
    »Im Namen der Stadt, sofort aufhören!«
    Die Henkerstochter zuckte zusammen. Als sie sich umdrehte, erkannte sie zunächst nur den Flößer Jeremias, der bäuchlings in einem Kranz aus Blut im Wasser schwamm, in seinem Rücken ein fingerlanger Bolzen. Die beiden Bettler neben ihm starrten mit gesenkten Knüppeln hinüber zum Durchgang. Dort stand im fahlen Licht der Fackeln ein Mann mit roter Amtshaube, lichtem Haar und fellumsäumtem Umhang.
    Es war Paulus Mämminger.
    Der Regensburger Kämmerer gab den zwei Stadtwachen an seiner Seite ein Zeichen, die Armbrüste sinken zu lassen. Dann musterte er vorwurfsvoll das Kampfgetümmel in der Brunnstube. Seine Stimme dröhnte in dem Gewölbe wie Donnerschlag.
    »Das Spiel ist aus, Silvio Contarini! Wir wissen von Eurem Plan. Kommt raus und ergebt Euch!«
    »Niemals!« Der Venezianer, der ebenso wie die anderen den Kämmerer fassungslos angestarrt hatte, ließ von Simon ab und trat ein paar Schritte zurück. Sofort hatte ihndie Dunkelheit verschluckt. »Ein Contarini gibt nicht so leicht auf, merkt Euch das! Wir sehen uns wieder, Mämminger, spätestens auf dem Reichstag!«
    Das Gelächter Silvios vermischte sich mit dem Rauschen der einzelnen Quellen zu einem infernalischen Lärm. Kurz war ein fernes Platschen zu hören, dann brach das Lachen ganz plötzlich ab.
    Simon hatte sich währenddessen auf den Sims gerettet, wo er keuchend und hustend Wasser und bittere Galle erbrach. Magdalena watete auf ihn zu und schloss ihn in ihre Arme.
    »Simon! Mein Gott, Simon!«, flüsterte sie. »Ich dachte, du wärst tot.«
    »Und ich dachte, dieser Wahnsinnige hätte dich wirklich vergiftet«, krächzte Simon.
    Magdalena wischte sich die letzten Reste Mutterkorn aus den Mundwinkeln. »Ich hab mich bemüht, das Zeug nicht zu schlucken«, sagte sie. »Alles Weitere werden die nächsten Stunden zeigen. Aber jetzt lass uns erst mal aus diesem saukalten Becken steigen. Bevor du dir eine Erkältung einfängst und mir noch klammheimlich unter der Hand wegstirbst.«
    Sie stützte Simon, während sie gemeinsam durch das Becken auf Paulus Mämminger zuwateten. Der alte Kämmerer blinzelte, es dauerte offenbar eine Weile, bis er erkannte, wen er vor sich hatte. Doch dann verzog sich sein Mund zu einem Lächeln.
    »Ah, die schöne Unbekannte aus dem Haus Heuport!«, rief er. »Und? Wie gefällt Euch Regensburg bislang?«
    Magdalena wrang ihr Haar aus. »Zu viele Verrückte auf einem Haufen, wenn Ihr mich fragt. Und außerdem zu nass.«
    Paulus Mämminger lachte und warf ihr seinen Mantel zu.»Ich bin sicher, dass Ihr mir einiges zu erzählen habt.« Er wandte sich zum Gehen. »Wir sollten dafür allerdings an die frische Luft gehen. Hier unten riecht es mir eindeutig zu sehr nach Tod und

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