Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler
Wahnsinn.« Plötzlich zeigte sich ein leises Lächeln auf seinen Lippen. »Außerdem muss ich mich oben noch bei einem treuen Helfer bedanken. Ich hoffe, er ist mit seiner Belohnung zufrieden.«
Als Jakob Kuisl am späten Nachmittag mit dem Kahn auf die Floßlände zusteuerte, wusste er, dass er ihnen diesmal nicht mehr entkommen würde.
Überall auf der Mole tummelten sich die Menschen wie bei einem riesigen Volksfest. Dazwischen liefen die Stadtwachen umher und versuchten die Menge wieder zurück in die Stadt zu scheuchen, doch es war aussichtslos. Gegenüber auf dem Wöhrd stieg eine gewaltige Rauchsäule in den Himmel, darunter sah der Henker einen Haufen verrußter, teilweise noch glimmender Balken. Schuppen und Mühlräder brannten wie Scheiterhaufen, und immer wieder fielen turmhohe Brettstapel krachend in sich zusammen. Die große Getreidemühle schien wie vom Erdboden verschluckt, das Feuer hatte mittlerweile auf die umliegenden Gebäude übergegriffen, die ganze Insel war ein einziges loderndes Inferno.
Die Menschen an der Floßlände begafften das Spektakel wie eine große öffentliche Hinrichtung. Sie schrien begeistert auf, wenn wieder ein Haus in sich zusammenstürzte, und deuteten mit den Fingern auf den Funkenregen, der bis zu ihnen herüberwehte. Die Wachsoldaten hatten die Insel bereits aufgegeben, nun waren sie vollauf damit beschäftigt, das Feuer wenigstens von der Brücke, den anderen Inseln und dem städtischen Ufer fernzuhalten.
Alsdie Büttel endlich den kleinen Kahn mit seinen zwei Passagieren bemerkten, schienen sie zunächst zu zögern. Sie unterhielten sich tuschelnd und zeigten ängstlich auf den Schongauer Henker, der den Kahn an einem Molenpfosten festband und so unbeteiligt wirkte wie ein in die Jahre gekommener Fischer aus einem Nachbarort. Doch schließlich kamen die Wachen vorsichtig und mit erhobenen Spießen näher.
»Das … das Monstrum!«, rief einer von ihnen stockend. »Jetzt haben wir ihn. Bleibt bloß zusammen! Der reißt uns noch die Kehle auf.«
»Gut möglich, dass er selbst die Mühle in die Luft gejagt hat«, flüsterte ein zweiter. »Seitdem der hier ist, schwebt das Unglück wie ein Pestodem über der Stadt!«
In einer schwachen Abwehrgeste hob Kuisl die Hände, er war zu müde, um den Bütteln noch Widerstand zu leisten. Den ganzen Weg von Donaustauf zurück war er gegen die Strömung gerudert, ein Wettlauf gegen die Zeit, neben sich den totenblassen Philipp Teuber, den er zuvor fast zwei Meilen von Weidenfeld bis zum Kahn getragen hatte. Seit seinen letzten Worten in dem verfallenen Dorf war der Regensburger Scharfrichter nicht mehr aus der Ohnmacht erwacht, die Wunde begann bereits zu nässen. Während der Fahrt im Boot hatte Kuisl beobachtet, wie sich das Blut langsam seinen Weg durch Moos, Kräuter und Verband gebahnt hatte. Das Gesicht Teubers war wächsern wie eine Totenmaske, immer wieder hatte Jakob Kuisl überprüft, ob sein Freund überhaupt noch atmete.
»Er braucht Hilfe«, krächzte der Schongauer Henker und kletterte aus dem Kahn, wo sofort die Büttel über ihn herfielen. Fast besinnungslos ließ er sich Hände und Füße binden. »Bringt’s den Teuber zu einem Wundarzt, aber zu einemanständigen«, murmelte er. »Sonst dreh ich euch den Hals um. Habt’s mich?«
»Halt dein Maul, Monstrum!«, schrie eine der Wachen und schlug Kuisl ins Gesicht, so dass die Oberlippe aufplatzte und der Henker zu Boden stürzte. »Jetzt ist’s endgültig aus mit dir. Noch mal entkommst du uns nicht! Warst du das mit der Mühle, hä? Warst du das?«
Mittlerweile hatten auch die umstehenden Regensburger erkannt, wer da gerade abgeführt wurde. Ein Gemurmel erhob sich, das schnell in triumphierendes Schreien und Rufen überging.
»Der Werwolf!«, zeterte ein älteres Weib. »Der Werwolf ist zurück! Und seht, er steckt mit dem Scharfrichter unter einer Decke! Werft sie beide in die Mühle, ins Feuer mit ihnen!«
»Beim heiligen Sankt Florian, brennen sollen sie!«
»Hängt sie besser auf! Gleich hier!«
»Haltet ein, Leut!«, warf eine der Wachen ein. »Es ist doch gar nicht gesagt, dass der Regensburger Henker …«
Doch seine Stimme ging im allgemeinen Geschrei unter. Die Menschen rannten bereits auf den großen Kran der Floßlände zu und begannen, Bootstaue über den Querbalken zu werfen und zu Galgenschlingen zu binden; erste Steine und Holzprügel flogen. Schweigend und mit blassen Gesichtern bildeten die Wachen einen Ring um Kuisl und den
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