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Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler

Titel: Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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führte an der Wand entlang, wo noch weitere Säcke mit gemahlenem Getreide standen. Es waren einfache grauweiße Leinensäcke, die mit schwarzen Bändern verschnürt waren. Der Medicus bückte sich und fuhr mit dem Finger durch den Mehlstaub. Plötzlich stutzte er. Das Pulver war leicht bläulich und roch widerlich süß. Vermutlich hatte das Mehl hier unten bereits zu schimmeln begonnen.
    Simon folgte der Spur des Pulvers, bis er an einer Stelle der Wand auf einen Sack stieß, der der Länge nach aufgerissen war. In einem Berg von Mehl lag ein halbes Dutzend toter Ratten mit aufgeblähten Bäuchen. Offensichtlich hatten die Viecher sich totgefressen. Als der Medicus einen der Kadaver mit der Stiefelspitze anstupste, fiel ihm auf, dass im Mehl Fußspuren zu sehen waren.
    Sie endeten abrupt vor der Wand. Eine von ihnen …
    Plötzlich war ein Rumsen zu hören. Simon zuckte zusammen, der Lärm war eindeutig aus dem Raum über ihnen gekommen. Nach einer kurzen Schrecksekunde rannte der Medicus auf das Loch in der Kammer zu und blickte nach oben. Die Schwärze am oberen Ende des Schachts erschien ihm mit einem Mal noch dunkler als vorher. Ein Plätschern folgte, als ob jemand Wasser in einen der großen Kessel füllte.
    »Wasist dort oben los?«, flüsterte Magdalena und ließ die Äpfel auf den Boden fallen.
    »Wir werden’s bald wissen«, sagte Simon und kletterte die wenigen Sprossen nach oben.
    Als sein Kopf scheppernd gegen eine harte Wand über ihm schlug, bewahrheitete sich seine böse Vorahnung: Jemand hatte einen der großen Kessel über das Loch geschoben und füllte ihn soeben mit Wasser!
    Verzweifelt drückte Simon gegen den Kupferboden, doch der Kessel war bereits so schwer, dass er sich nicht mehr bewegen ließ. Immer noch ergoss sich Wasser in den massiven Behälter. Mit einem Mal hörte das Plätschern auf, nur um kurze Zeit später in ein Knistern und Knacken überzugehen. Dünne Rauchfäden drangen durch schmale Ritzen zu ihnen herunter.
    »Feuer!«, schrie Simon. »Jemand hat den Wasserkessel über das Loch geschoben und das Brennholz in der Heizkammer angezündet! Hilfe! Hilf uns doch jemand!«
    Er pochte verzweifelt gegen den Kesselboden, doch er wusste, dass sie hier unten keiner hören konnte.
    Keiner außer dem Brandstifter , dachte er.
    Mittlerweile war aus den dünnen Fäden ein dichter, beißender Qualm geworden, der allmählich den Brunnenschacht ausfüllte. Simon begann zu husten und stemmte nun seine Schulter gegen den Kessel. Vergeblich, denn seine Füße fanden auf den glitschigen Sprossen keinen festen Halt, immer wieder rutschte er ab. Beinahe wäre er in die Tiefe gestürzt, wobei er Magdalena mitgerissen hätte, die in der Zwischenzeit hinter ihm den schmalen Schacht hochgeklettert war.
    »Verflucht!«, schrie sie. »Es ist zwecklos! Wir können nicht beide gleichzeitig den Kessel wegdrücken! Lass uns lieber nach unten klettern und versuchen, ob wir durch dasWasser entkommen können. Vielleicht gibt es ja eine Verbindung zum Brunnen im Hof!«
    »Und wenn nicht?«, keuchte Simon, der im Qualm über ihr fast nicht mehr zu sehen war. »Dann ersaufen wir wie die Ratten im Kanal! Nein, es muss eine andere Lösung geben!«
    Noch einmal stemmte er sich gegen den Kupferboden, doch es war, als versuchte er, eine Hauswand wegzuschieben. Wenn nur das schwere Wasser in dem Kessel nicht gewesen wäre!
    Das Wasser?
    Plötzlich kam ihm eine Idee. Simon kramte sein Stilett hervor und hieb mit kurzen, festen Schlägen in den Boden des Kessels. Das Metall war hart, doch nach einer Weile hatte er ein winziges Loch hineingestoßen. Wasser rieselte in einem dünnen Strahl daraus hervor. Simon stieß weiter zu, und der Strahl wurde breiter. Ein Schwall warmen Wassers ergoss sich auf ihn und Magdalena. Erneut drückte er mit der Schulter gegen den Kessel. Jetzt endlich bewegte sich der Behälter! Simon drückte, bis ihm die Adern an den Schläfen hervortraten und der Rauch die Kehle zuschnürte. Mit einem Krachen kippte das schwere Gefäß schließlich zur Seite. Sofort drang dicker Qualm in den Schacht hinein.
    »Raus hier!«, rief Simon und kletterte die letzten Sprossen empor. Hustend und nach Atem ringend folgte ihm Magdalena. Der Heizraum war bereits vollständig mit beißendem Rauch gefüllt. Ein paarmal rannte Simon wie ein Blinder gegen die Wand, bis er endlich die Tür zur Badekammer gefunden hatte. Als der Medicus die glühendheiße Klinke nach unten drückte, schrie er auf. Kleine Hautfetzen

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