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Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler

Titel: Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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blieben zischend am Metall hängen. Mit der Kraft der Verzweiflung trat Simon die Tür auf undrannte in den großen Raum dahinter, wo die Badezuber und hölzernen Trennwände bereits lichterloh brannten. Jemand hatte die Ölkrüge umgeworfen, und überall in den schillernden Pfützen züngelten hüfthohe Flammen. Schon wollte Simon nach vorne zum Hauptausgang laufen, als ihn Magdalena an der Schulter zurückhielt.
    »Dort ist sicher abgeschlossen!«, rief sie keuchend. »Außerdem steht da vielleicht immer noch die Wache. Wir müssen wieder durch den Hinterausgang!«
    Mit brennenden Augen und vor Schmerz schier berstenden Lungen taumelten sie auf das hintere Fenster zu, das glücklicherweise noch immer offen stand. Simon schob sich durch die Öffnung und landete unsanft auf einem Haufen Gerümpel. Ein Schmerz fuhr durch seinen rechten Knöchel. Neben sich hörte er Magdalena aufstöhnen. Sie rappelten sich auf und rannten durch den Innenhof und die enge Gasse davon, nur weg von dem flammenden Inferno hinter sich. Simon spürte, dass er kaum auftreten konnte. Offenbar hatte er sich zu allem Überfluss auch noch den Fuß verrenkt! Als der Medicus sich noch einmal umdrehte, sah er, dass das Feuer bereits den Speicher des Badehauses erfasst hatte. Krachend brachen hinter ihnen die Balken des Dachstuhls zusammen. Wie die Zungen lüsterner Teufel leckten die Flammen an den umstehenden Häusern.
    Irgendwo in der Nähe läutete schrill eine Sturmglocke.
    Der alte Nachtwächter Sebastian Demmler roch das Feuer, bevor er es sah. Ein zunächst nur zarter, dann immer stärker werdender beißender Gestank, der sich in seiner Nase und auf seinem Gaumen breitmachte und in ihm die schlimmsten Befürchtungen weckte. Demmler hatte dasgroße Feuer im Krieg miterlebt, und auch an die große Feuersbrunst in seiner Kindheit konnte er sich noch gut erinnern. Zwei Stadtviertel waren damals vollständig zu Asche verbrannt, beinahe wären die Flammen sogar auf den Dom übergesprungen. Die Schreie der aus den brennenden Häusern springenden Menschen hatten sich tief in sein Gedächtnis gefressen.
    Als Demmler nun den Brandgeruch wahrnahm, sagte ihm der untrügliche Instinkt eines jahrzehntelangen Nachtwächterlebens, dass es wieder so weit war. Er trat um die nächste Ecke und starrte auf das Haus des toten Baders, das wie eine gigantische Fackel brannte. Auch drei andere Gebäude hatten bereits Feuer gefangen. So nah am Brandherd war es hell wie in der Osternacht; Demmler spürte, wie die Hitze die Haare auf seinen nackten Unterarmen kräuseln ließ. Er trat einige Schritte zurück und fing an, mit seiner kleinen Glocke Sturm zu läuten.
    »Feuer!«, schrie er. »Feuer im Weißgerbergraben! Zu Hilf! Zu Hilf!«
    Mittlerweile läuteten auch die Glocken der naheliegenden Schottenkirche. Aus allen Richtungen waren jetzt Schreie zu vernehmen. Demmler sah Menschen aus ihren Stuben rennen, mit Eimern, Zubern und ganzen Fässern voll Wasser eilten sie auf das brennende Baderhaus zu. Vor dessen Eingang lag die leblose Gestalt eines Wachmannes, der von brennenden, herabstürzenden Balken begraben wurde. Verzweifelt versuchten die Bewohner der benachbarten Gebäude ihr Zuhause vor dem Feuer zu retten, indem sie Wasser gegen die Hauswände spritzten. Doch es verdampfte bereits in weißen Schwaden, noch bevor es an der Wand hinunterrinnen konnte.
    Sebastian Demmler läutete weiter die Glocke und hielt sich den fleckigen Ärmel seines grob gewebten Mantels vorden Mund, um nicht zu viel Qualm einzuatmen. Wo blieb nur die Stadtwache aus dem Westnerviertel? Es war höchste Zeit, dass endlich dieser neue Löschwagen mit den Spritzen auftauchte! Für mindestens fünf Häuser war es ohnehin zu spät. Jetzt im August konnte ein einziger Blitz ausreichen, um ein wahres Hölleninferno zu entfachen. Wenn die trockenen, mit Holzschindeln und Binsen gedeckten Dächer brannten, fraß sich das Feuer schnell bis in die unteren Stockwerke. Der alte Nachtwächter hatte schon Häuser wie Scheiterhaufen brennen sehen.
    Erst in diesem Augenblick fiel Demmler auf, dass es in den letzten Stunden gar kein Gewitter gegeben hatte. Sein von Natur aus langsamer Verstand setzte sich mahlend in Bewegung, während er weiter tapfer bimmelte und den anderen Bürgern beim Löschen zusah. Sollte mal wieder jemand den Herd nicht richtig geschürt haben? Aber es war mitten in der Nacht, keiner kochte mehr. Was sonst also konnte diesen Brand entfacht haben?
    Während er noch grübelte, sah

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