Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler

Titel: Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
Vom Netzwerk:
Regensburger Rat gleichzeitig in den Wannen planschen. Schau.« Sie deutete auf einen gemauerten Steinring am Boden. Ein Loch führte von dort in die Tiefe, an einer Kette darüber baumelte ein feuchter Holzeimer. »Ein eigener Hausbrunnen!«, seufzte die Henkerstochter. »Was gäb ich darum, so was bei uns in Schongau zu haben. Nie mehr Eimer vom Fluss raufschleppen!«
    Sie griff sich einen der armlangen Äste vom Holzstapel, umwickelte ihn mit Reisig und fertigte daraus eine behelfsmäßige Fackel, mit der sie den dunklen Raum ausleuchtete. Simon war unterdessen die Treppe hinaufgestiegen ins Obergeschoss, wo sich zwei weitere Kammern befanden. Die eine, in der ein großes Bett sowie eine geöffnete Truhe standen, war offensichtlich das Schlafzimmer der Hofmanns. Als Simon einen Blick in die Kiste warf, erkannteer, dass jemand bereits darin gewühlt hatte. Auf zerfleddertem Linnen und einer zerknitterten Sonntagstracht lag eine leere Ledermappe. Der Medicus vermutete, dass in der Kladde die amtlichen Papiere des Baders gewesen waren, die die Wachen zur Beweisaufnahme konfisziert hatten.
    Simon wandte sich dem anderen Raum zu und blieb gebannt im Türrahmen stehen. Die Kammer sah aus, als hätte vor kurzem ein Dämon darin gehaust. Überall auf dem mit duftenden Binsen übersäten Boden lagen Sträuße von getrockneten und mittlerweile zertretenen Kräutern, dazwischen waren Glasscherben verstreut, die von Schröpfgläsern stammten. Ein Regal zur Linken war umgestürzt, auf einem weiteren stand einsam ein bronzener Mörser, alles Weitere hatte jemand in aller Eile auf den Boden geworfen. Auf dem massiven Eichentisch, der die gesamte Breite des Raumes einnahm, sah Simon im fahlen Licht seiner Laterne ein heilloses Durcheinander aus zerrissenen Pergamenten, zerfetzten Buchrücken, aufgeschlitzten Lederbeuteln und zerdrückten Pillen.
    Der Medicus nahm eine von ihnen in die Hand und roch daran. Sie verströmte einen intensiven Geruch von Alaun und Harz. Dies hier war ganz eindeutig das Behandlungszimmer von Andreas Hofmann gewesen; als Bader hatte er sich auch um die kleinen Wehwehchen seiner Gäste gekümmert.
    Simon runzelte die Stirn. Warum in Gottes Namen hatten die Wachen nur dieses Chaos angerichtet? Hatten sie etwas gesucht?
    Oder war jemand anders nach ihnen noch einmal vorbeigekommen?
    Er griff nach einem der zerrissenen Bücher auf dem Boden und blätterte darin. Es war ein gebräuchliches Herbarium,in dem Kräuter und einzelne Getreidearten abgebildet waren. Die Seiten mit den Bildern von Roggen, Weizen und Hafer hatten Eselsohren und waren mit roter Farbe angestrichen.
    »Simon, komm schnell! Ich hab was gefunden!«
    Magdalenas unterdrückter Schrei riss Simon aus seinen Grübeleien. Er legte das Buch zur Seite und eilte nach unten, wo die Henkerstochter bereits bis zur Hüfte in dem Hausbrunnen stand. Energisch deutete sie nach unten.
    »Schau selbst, da führen Eisensprossen in die Tiefe! Und ich glaub kaum, dass mein Oheim zum Wasserholen in den Brunnen gestiegen ist. Also muss dort was anderes sein.« Weiter nach unten kletternd, verschwand sie in der Dunkelheit.
    »Ich habe oben …«, begann Simon, doch Magdalena unterbrach ihn bereits mit einem Ausruf der Überraschung.
    »Tatsächlich, hier ist ein Eingang! Nur ein paar Sprossen weiter unten. Jetzt komm endlich!«
    Mit einem klammen Gefühl kletterte ihr Simon hinterher und stieß nach nur wenigen Metern auf ein wagenradgroßes Loch in der Wand. Er krabbelte hindurch und purzelte in eine niedrige, mit weißem Kalk verputzte Steinkammer dahinter, in der Fässer, Kisten und modrige Säcke an den Seiten standen. Magdalena war bereits dabei, im Schein der Laterne einige von ihnen zu öffnen. Mit enttäuschtem Blick hielt sie ein paar verdorrte Äpfel in den Händen.
    »Verflucht! Der Keller ist nichts weiter als eine Vorratskammer!«, zischte sie.
    Simon hieb mit seinem Stilett ein Loch in eines der Fässer und steckte den Finger hinein. Er schmeckte süßlichen, schweren Rotwein.
    »Malvasier«,sagte er mit genüsslichem Schmatzen. »Und kein schlechter. So was kriegen bei uns nur die feinen Herren Bürgermeister. Vielleicht sollten wir uns ein Fässchen …«
    »Rindvieh!«, fluchte Magdalena. »Wir sind hier, um meinem Vater zu helfen, nicht um uns einen anzusaufen!«
    »Aber schad ist’s schon«, bemerkte Simon und leuchtete mit seiner Laterne weiter den Raum aus. In einer Ecke hatten sich Ratten an einem Mehlsack bedient. Eine feine weiße Spur

Weitere Kostenlose Bücher