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Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler

Titel: Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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»Wirhaben sogar unser eigenes Zunfthaus, wenn auch kein so schönes wie das der Händler, der Bäcker oder Goldschmiede. Glaub mir, vor uns bleibt nichts lange geheim.«
    »Du wirst mich doch nicht verraten?«, wisperte Simon.
    Reiser schüttelte entsetzt den Kopf. »Meinen Heiland verraten? Bin ich Judas? Ich will dir helfen!«
    »Aber was willst du tun?«, fragte Simon.
    »Wir werden dich und deine Freundin erst einmal verschwinden lassen«, antwortete der Bettler. »Ich hab bereits einen Botenjungen zum ›Walfisch‹ geschickt, der das Mädchen hierherbringen soll. Außerdem weiß ich, dass ihr mehr über diesen Mord im Baderhaus herausfinden wollt. Mal sehen, vielleicht haben wir einen Hinweis für euch.«
    »Aber das ist unmöglich!«, rief Simon. »Wir haben niemandem von dem Mord erzählt!«
    »Ach, und euer Gespräch vor dem Baderhaus gestern früh?« Hans Reiser grinste. »In Regensburg haben die Wände Ohren, und die meisten dieser Ohren gehören eben uns Bettlern. Jetzt glotz nicht so saudumm, komm mit.«
    Zögernd folgte ihm Simon. »Wohin gehen wir?«
    Reiser sah über die Schulter und zwinkerte dem Medicus mit seinem einen Auge zu. »Zum Bettlerkönig. Ich hab bereits mit ihm gesprochen. Er wird dir eine Audienz gewähren.«
    »Wer?«
    Hans Reiser kicherte. »Unser Zunftoberhaupt, du vernagelter Schafsschädel! Du hast Glück, es ist eine große Ehre, von ihm eingeladen zu werden. Und jetzt komm endlich, bevor die Wachen dir auf die Zehen treten!«
    Kopfschüttelnd folgte Simon dem alten Mann durch das Labyrinth aus schmalen Gassen und schmutzigen Hinterhöfen.Huschende Schatten verrieten ihm, dass sie nicht allein waren.
    Magdalena wachte auf durch ein Pochen, das sich zu einem infernalischen Lärm steigerte. Sie wollte schon aufstehen und dem Rabauken vor der Tür eine Maulschelle verpassen, als sie merkte, dass es nicht draußen, sondern in ihrem Kopf tobte. Sie öffnete die verkrusteten Augen, nur um sie sofort wieder zu schließen, weil vor ihren Pupillen grelle Lichtblitze zuckten. Beim nächsten Versuch blinzelte sie nur vorsichtig, dann tastete sie nach dem Krug Wasser, der, wie sie sich dunkel erinnerte, gestern noch neben ihrem Bett gestanden hatte. Sie ergriff ihn und kippte sich den kalten Inhalt ins Gesicht. Prustend schüttelte sie sich das Wasser aus den Haaren. Das Pochen hörte auf, doch zurück blieb ein stechender Kopfschmerz, der in Wellen kam und ging.
    Beim Gedanken an Wellen wurde Magdalena sofort schlecht.
    Sie unterdrückte einen Brechreiz und versuchte sich an die gestrige Nacht zu erinnern. Das Feuer im Baderhaus, die Flucht, ihre Ankunft im ›Walfisch‹ … Sie war unten in der Wirtsstube geblieben und hatte den Männern gezeigt, dass Trinkfestigkeit keine Sache von Körpergewicht und langjähriger Übung sein musste. Die Kuisls galten allesamt als widerstandsfähige Trinker. Vor Hinrichtungen besoff sich Magdalenas Vater regelmäßig so stark, dass Anna-Maria Kuisl ihren Mann am frühen Morgen unter Fluchen und Schimpfen ins Ehebett schleppen musste. Seltsamerweise war der Henker schon wenige Stunden später auf dem Schafott wieder stocknüchtern, wenn er auch einen äußerst grimmigen Eindruck machte – ein Bild, das zu einem Scharfrichter am Hinrichtungstag nur allzugut passte. Magdalena schien die Trinkfestigkeit von ihrem Vater geerbt zu haben. Außerdem hatte sie gestern Nacht immer wieder ein paar der bitteren schwarzen Kaffeebohnen gekaut, die Simon so liebte, das hatte ihr geholfen, halbwegs nüchtern zu bleiben.
    Simon?
    »Simon? Bist du da?«, krächzte sie, ertastete aber neben sich nur ein leeres Bettlaken. Stöhnend richtete sie sich auf. Der Medicus musste bereits nach unten gegangen sein. Ob er ihr immer noch böse war, weil sie gestern unten in der Stube mit dem kleinen Venezianer gezecht hatte? Sie öffnete die Tür und taumelte mit schmerzendem Kopf die Stiege nach unten. Ein betörender Geruch nach gebratenem Speck stieg ihr in die Nase und ließ ihren Magen lautstark knurren. In der Stube sah sie die Wirtin hinter dem Tresen stehen, wo die alte Frau sich gerade einen Schluck Branntwein genehmigte. Als sie Magdalena bemerkte, deutete sie nach hinten in die Küche.
    »Wenn du deinen Saufkumpan suchst, der ist dort drinnen«, knurrte sie und setzte zu einem neuen Schluck an. Magdalena nickte und begab sich in die rußige Küche, wo Holzscheite in einem gewaltigen Ofen glimmten.
    »Simon?«, fragte sie. Doch neben dem Herd stand nur Silvio Contarini,

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