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Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler

Titel: Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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ungeduldiges Kopfschütteln.
    »Ich will vermeiden, dass uns jemand folgt«, knurrte Reiser. »Lieber gehen wir ein paarmal im Kreis. Wenn die Wachen von unserem Zunfthaus erfahren, zieht mir der König der Bettler persönlich die Haut ab.«
    »Aber wie könnt ihr in einer so dicht bebauten Stadt ein Zunfthaus besitzen, von dem keiner etwas weiß?«, fragte Simon. »Ihr seid nicht gerade wenige. So etwas merken die Büttel doch.«
    »Lass dich überraschen.«
    Reiser kicherte und tastete sich weiter an den Hauswänden entlang. Fluchend folgte ihm Simon, mit seinem angeknacksten Fuß durch den teils knöcheltiefen Dreck watend.
    Plötzlich blieb der Bettler in der Mitte eines verlassenen schattigen Hinterhofs stehen, steckte die Finger in den Mund und pfiff. Ein anderer, nicht weit entfernter Pfiff antworteteihm, dann schob Hans Reiser einen vergammelten zweirädrigen Karren zur Seite. Darunter befand sich der verfallene Eingang zu einem Keller. Simon vermutete, dass früher an der Stelle des Hinterhofs ein Haus gestanden hatte. Nun zeugte nur noch eine ausgetretene, steil in die Tiefe führende Steintreppe von dem früheren Gebäude. Reiser grinste und machte eine angedeutete Verbeugung.
    »Das Zunfthaus der Bettlergilde! Bittschön, nach Euch, Euer Ehren.«
    Widerwillig machte sich Simon auf den Weg nach unten. Verwundert musste er feststellen, dass schon nach wenigen Metern Fackeln an den Wänden angebracht waren. Die Mauern bestanden aus verwitterten Steinquadern und waren an einigen Stellen mit merkwürdigen Runen bemalt. Erst nach einiger Zeit erkannte der Medicus, dass es sich um jüdische Lettern handelte, die für ihn keinen Sinn ergaben.
    Nach etwa einem Dutzend Stufen endete die Treppe in einem breiten, abschüssigen Gang, der weiter in die Dunkelheit führte. Auf ihrem Weg kamen die beiden immer wieder an Abzweigungen und Kreuzungen vorbei, wo ihnen zerlumpte, gebückte Gestalten begegneten. Reiser schien die meisten von ihnen zu kennen und grüßte freundlich. Als die Leute an Simon vorbeischlurften, fiel ihm auf, dass viele von ihnen hinkten; einige trugen eine Augenbinde oder humpelten mit Krücken auf einem Bein. Alle hatten sie eingefallene Gesichter und waren in Lumpen gekleidet. Simon hatte das Gefühl, an einem schier unendlichen Zug von Elenden und Kranken vorbei Schritt für Schritt in einen Abgrund hinabzusteigen.
    Wie in Dantes Unterwelt , dachte er. Himmel, auf was habe ich mich nur eingelassen!
    DieGestalten wurden immer zahlreicher, sie flüsterten und deuteten mit dem Finger auf den jungen Medicus. Schließlich betraten Simon und sein Begleiter ein niedriges Gewölbe, das von etlichen Fackeln erhellt wurde. Die flackernden Flammen warfen ein trübes Licht auf eine zerlumpte Gruppe, die sich um einen gewaltigen, morschen Eichentisch in der Mitte des Kellers versammelt hatte. Auf dem Boden und in den Ecken des gut fünfzehn Schritt langen und ebenso breiten Raums lagen weitere Gestalten, sie dösten, fieselten an abgenagten Hühnerknochen oder stritten sich lautstark um einen Krug Wein. Es stank nach alten Männern, Pisse, Stroh und Holzrauch. Ein Gemurmel lag in der Luft, das schlagartig verstummte, als Hans Reiser mit dem Medicus den Saal betrat. Simon spürte, wie Dutzende Augenpaare ihn abtasteten. Er atmete tief durch und erwiderte den Blick.
    Was ist das hier? Eine Räuberhöhle? Oder der Vorraum zur Hölle?
    Aus den Männern am Tisch schälte sich eine Gestalt heraus, die im Gegensatz zu den Lumpen der anderen einen verschlissenen Rock mit eingearbeiteten Goldfäden und eine bereits öfter geflickte, aber immer noch prächtige Pumphose trug. Auf dem Kopf des Mannes thronte schräg ein breitkrempiger Hut, darunter kräuselten sich graue Haare und ein ebenso grauer Vollbart, der ein faltiges Gesicht umrahmte. Als er den Mund öffnete, blitzte etwas auf. Erst jetzt erkannte Simon, dass die oberen Schneidezähne seines Gegenübers aus purem Gold waren! Sie schienen mit dünnen Drähten am bräunlich verfärbten Zahnfleisch und den benachbarten Zähnen befestigt zu sein.
    »Ist das der fahrende Arzt, der dich geheilt hat?«, lispelte der Bettler und deutete mit einer vernarbten rechten Hand auf Simon.
    HansReiser nickte. »Das ist er! Mit der Nadel hat er zugestochen, so vorsichtig, als wenn’s sein eigenes Auge wär. Dieser Mann ist ein gottbegnadeter Heiler …«
    »Oder ein Teufel und Brandstifter!«, unterbrach ihn grinsend der andere. »Jedenfalls, wenn man den Trotteln von der Wache

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