Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler
zum Putzen haben.«
Philipp Teuber atmete tief durch. »So viel Stolz, Kuisl. Glaub mir, du wirst schreien, und dann ist dein ganzer schöner Stolz für die Katz. Ich hab’s schon zu oft erlebt.«
»Herrgottsakrament, ich war’s nicht!«, flüsterte Kuisl. »Und wenn du mir alle Knochen dreimal brichst. Wenn du glaubst, dass ich unschuldig bin, dann hilf mir lieber oder halt besser dein Maul.«
Teuber schüttelte den Kopf. »Ich werd nichts tun, was meine Familie in den Ruin stürzt.«
»Schmarren!«, blaffte Kuisl. »Papier und was zum Schreiben besorg mir, mehr nicht. Und wenn ich fertig bin, dann bring den Brief meiner Tochter. Das ausgschamte Luder treibt sich irgendwo in Regensburg herum.«
»Ein Abschiedsbrief, ich versteh.« Teuber nickte. »Ich werd die Ratsherren um Erlaubnis fragen müssen, aber das sollte zu machen sein. Wo find ich deine Tochter?«
Jakob Kuisl lachte. »Was bist du? Der Regensburger Henker oder sein Lehrbub? Frag die Leut, halt die Augen auf, aber mach es verdammt noch mal heimlich. Nicht dass du am Ende auch noch meine Magdalena zum Schafott schleifst.«
Philipp Teuber rieb sich den rotblonden Bart. »Gut, Kuisl«, sagte er schließlich. »Ich helf dir, weil du einer von uns bist, und weil ich nicht glaub, dass du so deppert bist, dich mit gezücktem Dolch neben zwei Leichen ertappen zu lassen. Aber ab morgen werd ich dir trotzdem wehtun müssen.«
»Das lass ganz meine Sorge sein.« Jakob Kuisl hatte sich bereits wieder in seine Zelle begeben und sich dort aufdem Steinboden niedergelassen. »Und jetzt lass mich in Ruh, Teuber. Ich muss nachdenken.«
Der Regensburger Scharfrichter grinste, während er die Kerkertür langsam zuzog. »Kuisl, Kuisl«, sagte er und drohte schelmisch mit dem Finger. »Ich hab schon viele arme Sünder vor der Folter erlebt. Ängstliche, wahnsinnige, schreiende, betende … Aber du bist mit Abstand der frechste. Ich glaub nur kaum, dass das so bleibt.«
Mit einem Krachen fiel die Tür ins Schloss, über Jakob Kuisl zogen sich die Schatten zusammen.
Eine riesige Buche wogte über Simon im Wind. Grüne Blätter rauschten, Vögel zirpten, das Summen von Insekten erfüllte die Luft. Der Medicus atmete tief ein und fühlte sich im Einklang mit der Natur. Doch plötzlich mischte sich unter die lieblichen Geräusche ein nagender Lärm. Eine große Säge schien der mächtigen Buche ihre Lebensadern zu durchtrennen. Der Baum neigte sich zur Seite, jeden Moment konnte der mächtige Stamm den Medicus unter sich begraben. Mit einem berstenden Krachen stürzte die Buche zu Boden. Simon schrie und öffnete die Augen, nur um festzustellen, dass er geträumt hatte. Über ihm befand sich kein blauer Sommerhimmel, sondern nur die verrußte Decke des ›Walfisch‹. Allein, das Geräusch blieb.
Chrrrrrrr … Chrrrrrr …
Simon drehte sich zur Seite und sah Magdalena, die neben ihm auf dem Rücken lag und wie ein betrunkener Landsknecht schnarchte. Er rümpfte die Nase. Die Henkerstochter schnarchte nicht nur wie ein betrunkener Landsknecht, sie roch auch so. Ihr Mund stand sperrangelweit offen, ein dünner Speichelfaden hatte sich gebildet. Unwillkürlich musste der Medicus grinsen. Wenn der kleineVenezianer seine bella signorina so sehen könnte, würde er ihr bestimmt keine Avancen mehr machen.
Der kleine Venezianer?
Simon fuhr hoch und spähte auf die andere Seite des Bettes. Erleichtert stellte er fest, dass er mit Magdalena allein war. Trotzdem, die Vorstellung, dass dieser Silvio sein Mädchen zu Bett gebracht hatte, während er selbst daneben wie ein Säugling schlief, ließ ihn innerlich kochen. Wer konnte schon sagen, was zuvor alles vorgefallen war? Simon wusste aus eigener Erfahrung, wozu Männer in der Lage waren, wenn der Alkohol ein Mädchen albern und willenlos machte. Er schloss die Augen und verdrängte seine schlimmsten Phantasien.
Als er aufstand, spürte er, wie ein feiner Schmerz in seinem rechten Knöchel pulste. Sofort fielen ihm der gestrige Einbruch ins Baderhaus und ihre Flucht aus dem Keller ein. Leise fluchend schmierte er ein wenig Arnikasalbe auf den geschwollenen Fuß und wickelte ein Stück Leinen darum, dann kleidete er sich vorsichtig an. In dem Beutel, der ihm nach ihrer Verfolgungsjagd auf dem Marktplatz noch geblieben war, befanden sich neben medizinischen Utensilien glücklicherweise noch ein frisches Hemd und ein leicht fleckiger Rock. Seine Hose hatte Simon bereits gestern Nacht mit einem Stück Knochenseife notdürftig
Weitere Kostenlose Bücher