Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler
der pfeifend mit einem großen Löffel in einer Tonschüssel rührte. Neben ihm brutzelte in einer Pfanne heißer Speck, duftende Schwaden zogen durch die Kammer.
»Ah, ausgeschlafen?« Der Venezianer zwinkerte Magdalena zu und deutete auf die Pfanne. »Ich bereite gerade ein altes italienisches Hausrezept vor. Uova strapazzate allo zafferano . Gerührtes Ei mit Safran und Speck. Möchtet Ihr auch eine Portion?«
Eigentlich hatte sich Magdalena nur nach Simon erkundigenwollen, doch als sie nun zusah, wie die goldgelbe Eimasse zischend in die Pfanne rann, konnte sie nicht widerstehen. Sie nickte, während ihr das Wasser im Mund zusammenlief.
»Ein … wenig, ja.«
Wie ein galanter Mundschenk stellte Silvio für sie beide Teller, Messer und Löffel auf den Tisch und goss aus einer Karaffe verdünnten Wein ein.
»Das Beste gegen einen Kater«, sagte er grinsend und häufte ihr eine gewaltige Portion Ei mit Speck auf den Teller. »Außerdem lässt es die Wangen jeder ragazza leuchten. Es stört Euch hoffentlich nicht, wenn ich Euch als Mädchen bezeichne. Ihr seht noch so … nun, so jung aus.«
»In diesem Sommer bin ich vierundzwanzig Jahre alt geworden, wenn Ihr’s genau wissen wollt. Ihr müsst Euch nicht verbiegen, wenn Ihr mit mir redet.« Magdalena lächelte leise, während sie weiter auf ihren Teller starrte. Noch nie hatte sie ein so gelbes Rührei gesehen, es glänzte wie flüssiges Gold. »Es ist wunderschön«, murmelte sie.
»Das macht der Safran«, erläuterte Silvio, als er Magdalenas Erstaunen bemerkte. »Ich mag es, wenn die Eier wie die Sonne schimmern.«
»Aber ist Safran nicht sehr teuer?«, fragte sie verdutzt. Die Henkerstochter wusste, dass das Gewürz mit Gold aufgewogen wurde. Händler mischten es deshalb gerne mit geriebenen Ringelblumen, auch wenn darauf hohe Strafen standen.
Der Venezianer zuckte mit den Schultern. »Essen, Trinken, Liebe. Es gibt Dinge, an denen sollte man nicht sparen.«
Magdalena nickte mit vollem Mund. »S’ schmckt kstlch.«
» Perdonate ?«
Siewischte sich über die fettigen Lippen. »Ich sagte, es schmeckt köstlich. Kennt Ihr zufällig ein Getränk namens Kaffee?«
Silvio nickte. » Caffè! Ah, ein wunderbares Gebräu! Wenn ich gewusst hätte, dass Ihr es trinkt, ich hätte auf dem Markt …«
»Nicht nötig«, unterbrach sie ihn. »Mein Simon hat immer ein paar Bohnen dabei. Ich hab nur gemeint, das würde gut zum Ei passen.« Plötzlich fiel ihr siedendheiß ein, warum sie eigentlich in die Küche gekommen war. Sie nahm noch einen Bissen, dann stand sie eilig vom Tisch auf. »Ihr habt nicht zufällig Simon gesehen?«
»Euren grimmigen amico ?« Silvio rollte theatralisch die Augen. » No! Könnt Ihr ihn nicht einmal vergessen und auch mit mir ein wenig … come si dice … plaudern?«
Magdalena lächelte. »Haben wir das nicht gestern schon zur Genüge getan?« Sie wandte sich zum Gehen. »Aber das mit dem Kaffee und einem Safranei, das holen wir irgendwann nach. Ich dank noch recht schön.«
Der kleine Venezianer hob die Hände zum Himmel. »Ihr seid undankbar! Gestattet wenigstens, dass ich Euch begleite. Ich kenne mich in dieser Stadt fast so gut aus wie in Venezia. Sicher kann ich Euch helfen, Euren Freund zu finden.«
Magdalena seufzte. »Also gut, Ihr gebt ja doch keine Ruhe.«
Gemeinsam traten sie ins gleißende Tageslicht. Die Sonne blendete Magdalena so stark, dass sie die geduckte Gestalt, die auf der anderen Seite der Gasse kauerte und sie aufmerksam musterte, nicht bemerkte.
Simon musste aufpassen, Hans Reiser nicht aus den Augen zu verlieren. Immer wieder bog der Bettler vor ihm in einennoch schmaleren Weg ein. Dabei tastete er sich oft an den Hauswänden entlang. Ganz offensichtlich hatte Reiser sein Augenlicht nicht ganz zurückgewonnen. Mehrmals forderte der Medicus ihn deshalb auf, die Binde aufzusetzen, wenn er nicht riskieren wolle, erneut blind zu werden. Doch der Bettler winkte jedes Mal ab.
»Wer führt dich dann zum Bettlerkönig, hä?«, knurrte er und stolperte weiter durch die dunklen Gassen.
Sie stiegen über Kothaufen, verfaultes Gemüse und Tierkadaver hinweg, die sich auf dem Boden der engen Gassen häuften. Die Sonne verirrte sich hier so gut wie nie bis auf den Grund, dafür stank es so heftig, dass Simon sich den Ärmel seines Rocks vor Mund und Nase hielt, damit ihm nicht übel wurde.
»Sind wir denn nicht bald da?«, fragte der Medicus zum wiederholten Mal den alten Mann, erntete aber nur ein
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