Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler
hatte.
»Bistdu die, äh … die Magdalena Kuisl?«, fragte er ängstlich. »Die Tochter vom Schongauer Henker?«
»Wer will das wissen?«, blaffte Magdalena. Sie sah ihn prüfend an. »Wie einer von den Stadtwachen siehst du jedenfalls nicht grade aus.«
Der Junge schüttelte schüchtern den Kopf. »Ich bin der Benjamin Teuber. Der Sohn vom Regensburger Scharfrichter. Meine Freunde und ich haben dich überall gesucht. Ich soll dir das da geben.« Er reichte Magdalena ein zusammengefaltetes Pergament. »Es ist ein Brief von deinem Vater.«
Ungläubig nahm Magdalena den Zettel in die Hand. »Von meinem Vater?«
Benjamin nickte und rieb verlegen die Zehen aneinander. »Er hat ihn meinem Papa gegeben, damit er dich sucht und dir den Brief gibt. Und dann soll ich dir auch noch was ausrichten von meinem Vater.«
»Was denn?«, fragte Magdalena.
»Dass dein Papa ein vernagelter, zäher, sturschädliger Hundsfott ist.«
Die Henkerstochter lächelte. Ein größeres Kompliment konnte man ihrem Vater eigentlich nicht machen.
9
Regensburg, 22 . August
anno domini 1662 , 9 Uhr morgens
A n diesem Morgen fingen sie in der Fragstatt gleich mit der Streckleiter an.
Schweigend nahm der Regensburger Scharfrichter Jakob Kuisl den Verband ab und fesselte ihm die Arme hinter dem Rücken. Sowohl der Wundarzt als auch die drei Fragherren waren bereits anwesend, Kuisl konnte hinter dem Holzgitter schemenhafte Gestalten erkennen. Er starrte auf das Muster, als könnte er es damit unsichtbar machen und endlich einen Blick werfen auf den Mann, der ihm diese Falle gestellt hatte.
Seit dem Krankenbesuch Teubers war nur eine einzige, schmerzhafte Nacht vergangen, in der Kuisl wenig Schlaf gefunden hatte. Die ganze Zeit hatte er darüber gegrübelt, woher er den Namen Weidenfeld kannte. Es war nun offensichtlich, dass der dritte Mann hinter dem Gitter ein Racheengel aus seiner Vergangenheit war. Dieser Fremde hatte all die Inschriften auf der Kerkerwand angebracht, um den Henker zurückzuführen in eine Zeit, die dieser in die hintersten Winkel seines Gedächtnisses verbannt hatte. Die Geister des Krieges waren wieder auferstanden, und der böseste von ihnen verbarg sich hier in der Regensburger Folterkammer hinter einem Holzgitter. Wer war er? Warum verfolgte er ihn?
P.F.K. Weidenfeld …
Jakob Kuisl stöhnte leise, während ihn der Scharfrichter auf die Streckleiter schnallte. Die Kräuterpaste, die ihm Teuber auf die Wunden geschmiert hatte, war zwar eine Wohltat gewesen, trotzdem konnte von Heilung noch keine Rede sein. Philipp Teuber band die auf dem Rücken gefesselten Hände an einer der oberen Sprossen fest. Kuisl spürte, wie scharfe, drehbare Dreikanthölzer in sein noch wundes Fleisch schnitten. Schon jetzt zog ihn sein eigenes Gewicht unerbittlich nach unten und riss an den Schultergelenken. Doch das war noch nicht das Schlimmste. Philipp Teuber legte eine Schlinge um Kuisls Beine, die er an einer Rolle nahe am Boden befestigte. Wenn der Scharfrichter nun die Walze drehte, würden die hinter dem Rücken verbundenen Arme des Angeklagten immer weiter nach oben gezogen, bis sie mit einem reißenden Geräusch schließlich ausgerenkt wurden.
»Wir beginnen mit dem zweiten Verhör«, ertönte hinter dem Holzgitter die Stimme des Älteren. Jakob Kuisl wusste mittlerweile, dass es sich um den Schultheiß Hieronymus Rheiner handelte. »Kuisl, du kannst dir viele Schmerzen ersparen, wenn du einfach zugibst, dass …«
»Ich speib auf euch, ihr Drecksbande!«, brüllte der Schongauer Henker. »Und wenn ihr mich in Stücke schneidet und auskocht, ich war’s nicht!«
»Es kann sein, das wir genau das tun werden«, meldete sich süffisant die dritte Stimme. »Aber zuerst versuchen wir es mit dem Strecken. Teuber, dreh die Kurbel.«
Auf Philipp Teubers Stirn erschienen Schweißperlen, seine Lippen waren schmale Striche. Trotzdem bewegte er die Walze um eine Vierteldrehung, gerade genug, dass Kuisls Knochen merklich knackten.
»Mach es dir nicht unnötig schwer«, mahnte der jüngsteFragherr, der vermutlich Joachim Kerscher vom Regensburger Ungeltamt war. »Die Beweise sind erdrückend. Wir alle wissen doch, dass du die Morde begangen hast. Aber nach der Karolingischen Rechtsordnung brauchen wir nun mal dein Geständnis.«
»Ich war’s nicht«, murmelte Kuisl.
»Verdammt, wir haben dich auf frischer Tat ertappt! Neben den zwei Leichen!«, polterte Hieronymus Rheiner. »Gott weiß, dass du schuldig bist! Er schaut auf dich
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