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Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler

Titel: Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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herab!«
    Jakob Kuisl lachte leise. »Gott ist hier nicht, hier ist nur der Teufel.«
    »Es hilft wohl nichts«, sagte der dritte Mann mit der schneidenden Stimme. »Teuber, dreh weiter. Ich will hören, wie die Knochen brechen.«
    »Aber Euer Ehren«, meldete sich vorsichtig Philipp Teuber. Sein Gesicht wirkte im Licht der Fackeln bleich und aufgedunsen. Das fröhliche Funkeln in seinen Augen war verschwunden, er schien plötzlich um Jahre gealtert. »Wenn ich zu schnell foltere, dann kann es sein, dass der Kuisl uns umkippt, und dann …«
    »Wer hat dich um deine Meinung gefragt, Henker?«, schnarrte die Stimme des dritten Fragherren.
    Der Wundarzt Dominik Elsperger, der bislang schweigend auf der Holzbank gesessen hatte, stand auf und räusperte sich.
    »Der Teuber hat nicht ganz unrecht«, sagte er. »So wie der Angeklagte aussieht, kann es sein, dass er ohnmächtig wird. Dann müssen wir die Befragung vorzeitig abbrechen.«
    »Elsperger, Ihr habt recht«, erwiderte der alte Rheiner hinter dem Gitter. »Wir wollen deshalb langsam vorgehen. Teuber, noch eine Vierteldrehung, mehr nicht.«
    DerRegensburger Scharfrichter lehnte stumm neben der Streckleiter. Erst nach einiger Zeit schien er den Fragherren zu hören.
    »Verzeihung, Euer Ehren. Eine Vierteldrehung, wie befohlen.«
    Er bewegte die Walze, und Kuisl spürte, dass seine Arme kurz davor waren, aus den Gelenken zu springen. Hinzu kamen die Dreikanthölzer, die immer tiefer in seinen Rücken schnitten. Jakob Kuisl schloss die Augen und brummte wieder das alte Kinderlied, das er vor langer Zeit in einem Heereslager vor Breitenfeld gehört hatte. Soldatenweiber hatten es ihren Kindern vor dem Schlafen ins Ohr gesummt, während am Horizont die Dörfer brannten. Kuisl selbst hatte damit seine kleine Schwester und seine Kinder ins Traumland geschickt.
    » Maikäfer flieg, dein Vater ist im Krieg …«
    »Kuisl, hör auf zu spinnen und gesteh endlich«, mahnte der junge Kerscher. »Es ist vorbei.«
    » Deine Mutter ist im Pommerland …«
    »Himmelherrgott, gesteh!«, schrie Hieronymus Rheiner.
    » Pommerland ist abgebrannt …«
    »Gesteh!«
    Kuisl spuckte in Richtung des Gitters. »Fahrt zur Hölle, ihr schmerbäuchigen Federpinsler.«
    Es entstand eine Pause, in der keiner etwas sagte. Nur der rasselnde Atem von Jakob Kuisl war zu hören.
    »Ein schönes Lied«, meldete sich schließlich mit bösartigem Tonfall der dritte Fragherr. »Leider wirst du es deinen Kindern nicht mehr vorsingen können. Du hast doch Kinder, nicht wahr? Und auch eine schöne Frau. Wie heißt sie noch mal? Anna-Maria, glaube ich.«
    Er wiederholte den Namen von Kuisls Frau, indem er jedeSilbe langsam und fast wollüstig aussprach. »An-na- Ma-ri-a.«
    Der Schongauer Henker bäumte sich auf. Die Knochen knackten, und er spürte, wie sein linker Arm aus der Gelenkpfanne brach. Dieser Teufel kannte seine Frau und vielleicht auch seine Kinder! Was hatte er mit ihnen vor? Hatte er sich womöglich bereits an ihnen für ein Verbrechen gerächt, das ihr Mann und Vater vor Jahrzehnten begangen hatte? Der Schmerz ließ Kuisl fast ohnmächtig werden, trotzdem spuckte er eine Ladung Rotz in Richtung des Holzgitters.
    »Du verfluchte Drecksau!«, schrie er. »Komm raus und zeig dich, damit ich dir dein verdammtes Gesicht in Streifen abziehen kann.«
    »Du verwechselt da etwas«, sagte der dritte Mann ruhig. »Du bist es, dem wir das Gesicht schon bald in Streifen abziehen werden.«
    »Ich bitte doch um etwas mehr Respekt, Herr Kollege«, mahnte Hieronymus Rheiner. »Dies hier ist eine Befragung. Man könnte ja fast annehmen, dass Euch der Angeklagte persönlich etwas getan hat. Elsperger?«
    Der schmächtige Chirurgus sprang von seiner Bank auf.
    »Euer Ehren?«
    »Ist der Befragte noch weiter verhandlungsfähig?«
    Dominik Elsperger näherte sich dem Schongauer Henker und inspizierte im Fackelschein dessen nach oben gekrümmte Arme.
    »Die linke Schulter scheint ausgekugelt zu sein«, sagte er schließlich. »Aber die rechte macht noch einen guten Eindruck.«
    »Atmung?«
    Elsperger nickte. »Er atmet noch. Dieser Mann hat die Stärkeeines Ochsen, wenn Ihr mir erlaubt, das zu sagen. Ich habe noch nie …«
    »Es hat Euch keiner um Eure Meinung gebeten«, sagte Rheiner. »Werte Kollegen, ich schlage vor, den linken Arm abzubinden und mit dem rechten fortzufahren. Meinethalben auch mit dem glühenden Schüreisen. Ich bin mir sicher, dass wir schon bald unser Geständnis bekommen. Teuber, nimm den

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