Die Henkerstochter und der schwarze M�nch
Pfad, ging auf ein vertrocknetes, vom Schnee niedergedrücktes Brombeergebüsch zu und verschwand darin. Ein Wildwechsel tat sich vor ihm auf, der von außen nicht zu sehen gewesen war. Kuisl kauerte sich zwischen die Sträucher und erstarrte. Die Jahre des Umherstreifens im Wald, auf der Jagd oder bei der Suche nach Kräutern, hatten ihn gelehrt, eins mit seiner Umgebung zu werden. Wenn der Wind gut stand, konnte er auf diese Weise einen Rehbock an sich vorüberziehen lassen und ihm mit der Handkante das Genick brechen.
Ein Knistern zeigte ihm an, dass sich die Männer näherten. Sie verständigten sich offenbar lautlos; nur die leisen Schritte verrieten, dass einer von ihnen das Gebüsch betrat, während der andere einen Bogen darum machte. Er würde also einen nach dem anderen zur Strecke bringen können. Der Henker grinste.
Ein Vorteil für mich …
Jakob Kuisl griff nach dem polierten Knüppel aus Lärchenholz, den er immer bei sich führte, und wartete darauf, dass der erste Mann an ihm vorüberschlich. Endlich sah er ihn. Der Fremde ging gebückt den Wildwechsel entlang, wachsam nach allen Seiten Ausschau haltend, in der rechten Hand eine geladene Pistole. Der Schlapphut mit den Federnund der bunte Rock unter dem zerschlissenen Mantel gaben ihn als ehemaligen Söldner zu erkennen. Ein bärtiger Kriegsveteran, gestählt in unzähligen Kriegen, ausgestattet mit der Kraft und Geschicklichkeit eines Kerls, der das Töten von klein auf gelernt hatte. Ein Mann, wie Kuisl selbst einer gewesen war.
Der Henker wartete, bis der Landsknecht an ihm vorbeiging, dann schlug er mit dem Knüppel nach dessen Hand. Der Mann war schnell.
Im letzten Moment musste er die Bewegung an seiner Seite aus dem Augenwinkel wahrgenommen haben. Fluchend rollte sich der Söldner zur Seite und zielte gleichzeitig mit der Pistole in Richtung des Henkers. Ein Schuss peitschte durch die Stille, Jakob Kuisl spürte ein heißes Brennen auf der Wange, doch er hatte keine Zeit, darüber nachzudenken. Brüllend stürzte er sich auf den Mann, der die nun nutzlose Pistole zur Seite warf und seinen Degen zog. Doch in dem dichten Gebüsch konnte er mit der Waffe nicht ausholen. Der Söldner stach ein paarmal nach dem Henker, dann hechtete er aus dem Gebüsch heraus. Jakob Kuisl versetzte ihm noch einen leichten Schlag mit dem Knüppel zwischen die Schulterblätter, bevor der Mann gänzlich verschwunden war.
Der Henker fluchte. Sein Vorteil war dahin; jetzt standen beide Söldner vor dem Gebüsch, während er selbst wie ein in die Enge getriebener Keiler in seinem Versteck hockte. Er hörte die Männer draußen keuchen, ihre Gestalten waren umrisshaft zwischen den Zweigen auszumachen. Ein Schnappen verriet ihm, dass einer von ihnen seine Armbrust durchlud, der andere schien die Pistole erneut mit Pulver zu stopfen.
Muss ihnen zuvorkommen. Sonst knallen sie mich ab wie einen tollwütigen Hund …
Ohne weiter nachzudenken, lief Jakob Kuisl brüllend aus dem Gebüsch heraus. Mit blutigem Gesicht und zerrissenem,mit Schlamm bespritztem Mantel hatte er jetzt tatsächlich etwas von einem zornigen Keiler. Sein wüstes Geschrei ließ die Männer kurz erstarren. Eine Schrecksekunde, die Kuisl zugutekam. Der Mann mit der Pistole warf die Waffe fort und griff hektisch nach seinem Degen. Der andere schaffte es nicht mehr rechtzeitig, die Armbrust hochzuziehen, so dass der Bolzen schnarrend in den Waldboden fuhr. Dort nagelte er den Stiefel des Henkers fest, was Jakob Kuisl noch lauter brüllen ließ. Er riss sich los und rammte dem einen Wegelagerer den Knüppel in die Magengrube; der Mann kippte vornüber wie ein gefällter Baum. Kuisl holte aus und ließ den Prügel auf den Kopf des Mannes niederfahren. Ein Krachen war zu hören, als würde man eine Walnuss knacken.
Jakob Kuisl wandte sich dem zweiten Mann zu, der versuchte, den Henker mit seinem Degen auf Distanz zu halten. Zischend fuhr die Waffe durch die Luft. Der Mann tänzelte hierhin und dorthin, stach zu und zog sich wieder lauernd zurück. Bei einem seiner Ausfälle erwischte er Kuisl am Oberarm und ritzte ihm den Mantel auf, doch der Henker ging rechtzeitig in Deckung. Als der Mann das nächste Mal nach vorne stieß, duckte sich Kuisl, unterlief den Degen und stand plötzlich direkt vor seinem Angreifer.
»Sauhund, verdammter, führst mich nicht mehr an der Nase rum.«
Der Henker versetzte dem Mann zwei solch gewaltige Maulschellen, dass dieser wie ein Bündel trockenes Holz in sich
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