Die Henkerstochter und der schwarze M�nch
ersten Wirtshaus, gleich vor dem Durchgang zum Klosterplatz, hatte er Erfolg. Nach mehrmaligem Klopfen öffnete ihm ein verschwitzter Schankwirt mit Stiernacken und einem Bauch wie ein Bierfass. Als Kuisl ihm den Medicus und seine Begleiterin beschrieb, sah ihn der feiste Mann mit schmalen Augen an.
»So ein kleiner Stutzer und eine vornehme Rothaarige, hä? Was willst du denn von denen?«
Jakob Kuisl wurde vorsichtig, der Wirt schien ihm etwas zu verschweigen. »Suchen tu ich sie halt. Also, was ist? Waren die bei dir?«
Der Wirt stutzte, dann grinste er. »Ich kenn dich. Du bist doch der Schongauer Henker! Hätt nicht gedacht, dass es mit den zwei Kirchenschändern so schnell geht. Na ja, im ganzen Ort spricht man ja von nichts anderem.« Er linste an Kuisl vorbei. »Wo sind denn dein Schwert, deine Stricke und Zangen, hä? Werden die beiden in Rottenbuch verbrannt oder bei euch in Schongau?«
Jakob Kuisl dämmerte, dass Simon in weit größeren Schwierigkeiten steckte, als er befürchtet hatte. Er beschloss, sich auf das Spiel einzulassen.
»Sag bloß, die beiden sind dir ausgebüxt«, knurrte er. »Wirst ihnen doch nicht bei der Flucht geholfen haben?«
Der Wirt wurde kreideweiß. »Nix hab ich! Die sind doch gestern Nacht schon weg. Bei der Heiligen Jungfrau, es ist alles so, wie ich es dem ehrwürdigen Propst bereits gesagt hab! Mit dem Schlitten vom Steingadener Kloster sind sie weg, und der Abt war auch dabei!«
»Der Abt?«
Der Wirt nickte beflissen. »Augustin Bonenmayr höchstselbst. Ich hab gesehen, wie Hochwürden mit den beiden die Stiege heruntergekommen ist. Ha!« Wieder grinste er, sodass seine schwarzen Zahnstummel hervorlugten. »Wahrscheinlich bringt er sie zum Steingadener Henker, und du bleibst auf deinen Stricken und Zangen sitzen! Ein hübscher Batzen Geld, der dir da entgeht.« Mit seinen kurzen dicken Fingern begann er aufzuzählen. »Das Zwicken, das Strecken, vermutlich werden sie gehenkt, gerädert und erst dann verbrannt. Oder vielleicht in Öl gesotten? Das macht alles in allem …«
Doch der Henker hörte schon nicht mehr zu. Er war bereits auf der Straße nach Steingaden.
Am Schuppen gegenüber dem Wirtshaus schälten sich zwei Gestalten aus dem Schatten und setzten Jakob Kuisl nach. Die beiden Männer in Landknechtstracht waren beunruhigt. Mehr noch, zum ersten Mal seit langer Zeit spürten sie eine leichte Panik in sich aufsteigen. Der Medicus und die rothaarige Frau waren ihnen irgendwie entwischt, sie hatten einen der ihren im Kampf gegen diesen verdammten schwarzen Mönch verloren, und ihre Tarnung war aufgeflogen! Nun schien dieser riesige, schwerfällige Henker ihre letzte Hoffnung zu sein.
Mit tief ins Gesicht gezogenen Schlapphüten mischten sie sich unter die immer noch lamentierenden Augustiner und Handwerker und folgten Jakob Kuisl, der auf der von Pferdeschlitten und Handkarren bevölkerten Straße dem Wald zustrebte.
Vielleicht würde auch er sie zu ihrem Ziel führen.
Augustin Bonenmayr schloss die Tür und wies Simon mit einer Handbewegung an, sich zu setzen. Der Medicus ließ sich willenlos auf einen Schemel plumpsen; so groß war der Schock, dass er einen Moment lang sprachlos blieb. Mit schreckensgeweiteten Augen betrachtete er den schwarzen Mönch, der noch immer am Türrahmen lehnte und mit seinem Dolch spielte. Ein feines Lächeln kräuselte sich um NathanaelsLippen, das goldene Kreuz an der Kette wippte wie ein Pendel leicht hin und her.
Der Steingadener Abt ließ sich Simon und Benedikta gegenüber nieder und faltete die Hände wie zum Gebet. Mit seinem Kneifer, dem grauen Haar und dem verkniffenen Mund sah er aus wie ein mitleidiger Schullehrer, der zu einer Strafpredigt ansetzen musste, obwohl es ihm selbst nicht behagte.
»Es tut mir leid, dass es so kommen musste«, begann er. »Doch offenbar hat Gott Euch für diese Rolle auserwählt.« Er nahm den Kneifer ab und begann schon wieder die Gläser zu putzen; dabei vermied er es, Simon oder Benedikta ins Gesicht zu sehen. »Ihr habt uns tatsächlich zum Schatz der Templer geführt, die Christenheit wird Euch dafür ewig dankbar sein. Aber Ihr werdet verstehen, dass Euer Weiterleben zu riskant ist. Keiner darf erfahren, dass der Schatz über Jahrhunderte in der Hand von Ketzern war. Auch dass wir ihn mit Blut erkauft haben, ist …« Er sah Bruder Nathanael tadelnd an. »... nun, mehr als bedauerlich. Es würde sich nicht gut machen, wenn solche Vorkommnisse an die Öffentlichkeit
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