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Die Henkerstochter und der schwarze M�nch

Titel: Die Henkerstochter und der schwarze M�nch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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Unterwelt.
    Das Symposion glitt Magdalena aus den Händen, ihre Knie wurden weich, sie musste sich an der Regalwand festhalten. Als Simon die Henkerstochter schließlich in der Wandöffnung entdeckte, blieb ihm der Mund offen stehen.
    Eine ganze Weile sagte keiner etwas.
    »Du ... ? «, brach es schließlich aus Simon heraus.
    Magdalena richtete sich mühsam auf, musterte die beiden zornig und stellte sich dann mit verschränkten Armen vor den Bücherberg.
    »Ja, ich. Und was, bittschön, hast du mit dem Weibsbild hier zu schaffen?«
    Magdalena hatte Gefangenschaft, Gift und einen wahnsinnigen Mönch überlebt. Sie war durch dunkle Gänge geflohen und als lebende Leiche in einem Sarg befördert worden. Ihr Leben war in den letzten Tagen gehörig aus den Fugen geraten. Der wankende, mit Pergamentfetzen übersäte Simon vor ihr war das Wirklichste, was ihr in der letzten Zeit begegnet war. Sie vergaß alle überstandenen Schrecken und richtete ihren ganzen Zorn gegen den Medicus und Benedikta.
    »Was ihr beiden hier treibt, möcht ich wissen!«, schrie sie. »Da ist man einmal von zu Hause weg, und schon amüsierst du dich hinter meinem Rücken mit diesem Landsberger Flittchen!«
    »Magdalena«, sagte Simon so leise und beruhigend wie möglich. » Benedikta ist kein Flittchen, und wir amüsieren uns auch nicht. Ganz im Gegenteil. Wir sind hier in der Steingadener Bibliothek eingesperrt, haben Reliquien geschändet und werden demnächst entweder erdolcht oder von deinem Vater gerädert. Also würdest du mir bitte auf der Stelle verraten, was du hier machst!!!«
    Simons Stimme war zum Schluss immer lauter geworden. Magdalena sah ihn mit großen Augen an, nur langsam drang die Wirklichkeit zu ihr durch.
    »Die ... Steingadener Bibliothek, sagst du?«
    Benedikta nickte. »Wir sind im Steingadener Kloster gefangen.« Sie deutete auf die Öffnung hinter Magdalena. »Aber so wie es aussieht, haben wir jetzt zumindest einen Fluchtweg. Wir sollten so schnell wie möglich …«
    »Einen Augenblick noch«, sagte Simon. »Ihr seht doch, dass sie eine Weile Ruhe braucht. Außerdem müssen wir von ihr wissen, was uns dort erwartet.«
    Der Medicus ging auf Magdalena zu und drückte ihre Hand. Er spürte ihren Puls rasen, nur langsam ließ das Zittern nach, das ihren ganzen Körper erfasst hatte.
    Die Henkerstochter ließ sich auf einen Bücherhaufen sinken und atmete tief durch. Dann begann sie zu erzählen.

14
     
    M it großen Schritten hastete Jakob Kuisl auf das Kloster zu. Der Söldner hatte schnell gestanden; es war deshalb nicht nötig gewesen, ihm mit dem glühenden Hirschfänger den Rücken zu gerben. Der Henker hatte ihm einen Galgen in die rechte Wange gebrannt und ihn dann mit einem Tritt in den Hintern zum Teufel gewünscht, den anderen Söldner hatte er mit zerbrochener Schädeldecke den Tieren zum Fraß gelassen.
    Noch einmal dachte Kuisl darüber nach, was ihm der Mann am Feuer mit angstgeweiteten Augen und überschnappender Stimme erzählt hatte. Im Grunde hatte der Henker durch die Berichte des Bürgermeisters und des Räuberhauptmanns ohnehin schon alles gewusst. Einige Details waren noch unklar gewesen, doch jetzt fügte sich alles zu einem Bild zusammen. Jakob Kuisl begann zu rennen. Simon war in Gefahr, er musste dieses neunmalkluge Doktorenbürschlein so schnell wie möglich warnen! Hoffentlich war es noch nicht zu spät.
    Während er auf der schmalen Straße an im Schneematsch steckengebliebenen Karren und dick vermummten Wanderern vorbeieilte, überlegte er, was in Rottenbuch wohl geschehen war und welche Rolle Simon und Benedikta dabei gespielt hatten. Wie hatte der Abt die beiden mitnehmen können? Rottenbuch gehörte nicht zum Bezirk der Prämonstratenser. Sollten der Medicus und die Händlerin sich einesVerbrechens schuldig gemacht haben, dann mussten sie dort auch bis zum Prozess bleiben. Aber offenbar verfügte dieser Bonenmayr über die notwendigen Mittel, seinen Willen durchzusetzen.
    Als Jakob Kuisl hinter einem letzten Waldstück endlich das Steingadener Klostergelände erreichte, hatte schon die Dämmerung eingesetzt. Schnee fiel in dicken, weichen Flocken vom Abendhimmel. Ebenso wie in Rottenbuch standen hier turmhohe, vereiste Gerüste mit Flaschenzügen; die Baugruben waren hüfttief mit Schnee gefüllt, nur vereinzelt liefen dem Henker ins Gebet versunkene Chorherren entgegen. Mit ihren weißen Tuniken wirkten sie im Schneetreiben fast unsichtbar. Die Prämonstratenser eilten der Vesper

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