Die Henkerstochter und der schwarze M�nch
entgegen, die durch tiefe Glockenschläge angekündigt wurde.
Seit dem großen Schneesturm vor einigen Tagen schienen die Bauarbeiten zu ruhen. Ein Blick auf die nackten Dachbalken des zukünftigen Wirtshauses zeigte Kuisl, dass Simon und Benedikta wohl, wenn überhaupt, im Kloster nebenan untergebracht waren. Er beschloss, an die Klosterpforte zu klopfen, vielleicht wusste der Cellerar ja mehr.
Gerade ging Kuisl auf das mehrstöckige, weiß getünchte Gebäude zu, als sich nur wenige Schritte rechts von ihm eine Tür im Seitenflügel öffnete. Einige Gestalten traten heraus, die in dem mittlerweile sehr dichten Schneetreiben nur schwer zu erkennen waren.
Der Henker blieb stehen, um die Prozession in einiger Entfernung an sich vorbeiziehen zu lassen. Er kniff die Augen zusammen, konnte aber im dämmrigen Licht die Männer nur schemenhaft ausmachen. Der vorderste schien Augustin Bonenmayr zu sein. Jakob Kuisl erkannte ihn an dem purpurnen Gürtel, der ihn als Abt kennzeichnete. Im Gegensatz zu den anderen trug er einen weißen Hut auf dem Kopf, den er mit einer Hand vor dem Wind schützte. Die ihm nachfolgenden zwei breitschultrigen Mönche waren ebenso wie der Abt nach Art der Prämonstratenser weißgekleidet. Der dritte jedoch trug im Gegensatz zu den anderen eine schwarze Kutte mit Kapuze. Sein Gang war leicht und federnd, unter dem Stoff zeichneten sich trotz seiner geringen Körpergröße feste Muskelpakete ab. Die Art, sich zu bewegen und sich gleichzeitig wachsam umzusehen, erinnerte Jakob Kuisl an ein Frettchen.
An ein sehr böses, sehr gefährliches Frettchen, dachte er.
Der Henker erkannte mit dem Blick des Kämpfers, dass dieser Mann sein Leben nicht nur mit Beten und Bücherkopieren verbracht hatte.
Als der schwarze Mönch nur wenige Schritte entfernt an Jakob Kuisl vorbeiging, wendete er sich plötzlich mit heiserer Stimme an den Abt.
»Wir hätten sie beseitigen sollen. Dieser Medicus ist ein schlauer Fuchs, der immer wieder ein Schlupfloch findet. Und diese Schlampe …«
»Schweig«, unterbrach ihn Augustin Bonenmayr. »Öffne dein Herz lieber für den größten Schatz der Christenheit. Bald schon stehen wir vor ihm. Alles andere kann warten.«
Kuisl zuckte zusammen. Er kannte die Stimme dieses Mönchs! Damals in der Krypta der Lorenzkirche hatte er sie nur kurz gehört; dieser merkwürdige, fremdländische Akzent, das heisere Keuchen. Doch es hatte gereicht, um die Stimme für immer in sein Bewusstsein zu brennen.
Jakob Kuisl versuchte, eins mit seiner Umgebung zu werden, er duckte sich hinter eine niedrige Schneewehe. Doch er war groß, sein Schlapphut ragte noch hervor. Plötzlich wandte sich der schwarzgekleidete Mönch in Kuisls Richtung. Er schien auf der Stelle zu verharren und seinen Blick in das Schneetreiben vor ihm zu bohren. Langsam drehte der Henker sich zur Seite und hoffte, dass die Sicht für die Mönche genauso schlecht war wie für ihn selbst.
Schritte im Schnee entfernten sich knirschend, die murmelnden Stimmen wurden leiser und verstummten schließlich ganz.
Jakob Kuisl wartete einen Moment, dann setzte er der Gruppe nach. Eine dünne Schneeschicht bedeckte mittlerweile seinen Mantel, und so bemerkten die Mönche nicht den weißen, fast unsichtbaren Koloss, der ihnen auf leisen Füßen durch die Dunkelheit folgte.
Als Magdalena ihre Erzählung beendet hatte, herrschte einen Moment lang Schweigen.
»Der Augsburger Bischof als Anführer eines geheimen Ordens, der über Leichen geht und Kirchenschätze raubt.« Simon schüttelte den Kopf. »Und an seiner Seite der Steingadener Abt. Das glaubt uns kein Gericht auf der Welt!« Sein Blick ging zu dem kleinen, vergitterten Fenster, hinter dem bereits Dämmerlicht herrschte. »Sei’s drum, uns bleibt nicht mehr viel Zeit. Vermutlich ist Bonenmayr schon in der Johanneskapelle, um seinen größten Traum wahr werden zu lassen. Und danach macht dieser schwarze Mönch mit uns kurzen Prozess …«
Kurz berichtete er Magdalena, was sie herausgefunden hatten. Schließlich deutete er auf den steinernen Torbogen, der hinter der umgestürzten Bücherwand aufgetaucht war.
»Vermutlich ein alter Geheimgang, der vom Kloster in die Gruft der Welfen führt«, sagte er. »Er ist offenbar schon lange nicht mehr benutzt worden. Es muss noch einen anderen Ausgang geben, sonst hätte dieser Mönch dir nicht täglich etwas zu essen bringen können.«
Er sah Magdalena an und deutete auf den Eingang. »Und du glaubst, dort unten lauert
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