Die Henkerstochter und der schwarze M�nch
geschehen? Wie hat die Bande es angestellt?«
Der Henker erzählte ihm von der falschen BenediktaKoppmeyer und davon, wie sie die Händler und Fuhrleute ausspioniert hatte. Er berichtete von seinem Kampf mit den Räubern im Steingadener Wald. Dabei vermied er es, eine genaue Zahl der Wegelagerer zu nennen, und auch die Begebenheiten im Komödienhaus ließ er weg. Der Schreiber hörte derweil gebannt zu.
»Tatsächlich«, sagte Lechner schließlich. »Diese Frau saß des Öfteren bei den Händlern im Semer-Wirtshaus drüben. Sie hat sich gelegentlich nach geeigneten Fuhrwegen erkundigt. Wer hätte geahnt, dass sie mit der Räuberbande unter einer Decke steckt!«
»Und nicht nur das«, sagte Jakob Kuisl. »Das ausgschamte Weibsbild hat mit ihrer Bande wohl auch die geweihten Gebeine zweier Rottenbucher Heiligen rauben wollen. Im Kloster haben sie zuerst rumspioniert und sich dann mit den Mönchen angelegt. Einer der Banditen sah übrigens fast so aus wie unser junger Fronwieser …«
Verdutzt schaute Simon den Henker von der Seite an. Was hatte Jakob Kuisl vor?
»Wie der junge Fronwieser? «, fragte Lechner verwirrt.
»Ich kann’s bezeugen«, sagte Kuisl. »Hätt ihn fast selbst für den Simon gehalten. Die Crux ist nun, dass die Rottenbucher glauben, unser Medicus hätte was mit der Sach zu tun. Vierteilen und verbrennen wollen sie ihn, lieber heut als morgen.«
Johann Lechner lachte. »Simon Fronwieser ein Reliquienschänder? Der schändet eher unsere Jungfrauen.« Amüsiert schüttelte er den Kopf. »Was für eine hanebüchene Vorstellung. Ich werde dem Rottenbucher Propst ein Schreiben zukommen lassen, dass ein Irrtum vorliegt. Damit sollte der Fall erledigt sein.«
Er griff zu Pergament und Gänsekiel und begann, eine kurze Nachricht aufzusetzen. Verstohlen lächelte Simon dem Henker zu. Einmal mehr hatte ihm Jakob Kuisl aus der Patsche geholfen.
»Habt Dank, Exzellenz«, sagte er und machte eine leichte Verbeugung in Richtung des Schreibers. »Ein bedauernswertes Versehen. Ich weiß selbst nicht, wie ...«
»Schon gut, schon gut«, unterbrach ihn der Schreiber. »Dankt lieber mit Taten. Wir brauchen schließlich unseren Medicus, damit er mit diesem leidigen Fieber fertig wird, nicht wahr? Die Krankheit hat seit Eurer Abreise drei weitere Tote gefordert. Euer Vater ist, gelinde gesagt, nicht sonderlich gut zu sprechen auf Euch.«
Siedend heiß fiel Simon ein, dass er seit seiner Ankunft weder bei seinem Vater gewesen war noch der kleinen Clara einen Besuch abgestattet hatte.
»Ihr habt recht«, entgegnete er kleinlaut. »Ich sollte mich sofort wieder an die Arbeit machen.«
Er verabschiedete sich hastig und rannte zum Haus der Schreevogls am Marktplatz. Durch die leidige Sucherei nach dem Templerschatz hatte er völlig verdrängt, was für eine schlimme Krankheit Schongau immer noch heimsuchte! So viele Menschen waren gestorben, während er einem Traum hinterhergejagt war. Sogar Clara hatte er eine Weile lang vergessen gehabt.
Schon nach kurzem Klopfen am Haus der Patrizierfamilie öffnete ihm Maria Schreevogl mit blassem Gesicht und einem Rosenkranz zwischen den dürren Fingern.
»Gut, dass Ihr wieder da seid«, flüsterte sie. »Unserer Clara geht es wieder schlechter. Seit gestern ist sie nicht aufgewacht, sie trinkt nichts und hustet roten Auswurf zum Gotterbarmen! Mein Mann ist oben bei ihr. Ave Maria, der Herr ist mit dir, du bist gebenedeit unter den Weibern ...«
Ohne weiter auf die betende Patrizierin zu achten, eilte Simon die Treppe hoch und kniete sich am Krankenbett neben Jakob Schreevogl, der die glühend heiße Hand seiner Stieftochter hielt. Der Ratsherr sah nur kurz auf, dann fuhr er fort, Clara den Schweiß von der Stirn zu wischen. Das Mädchen atmete flach und hektisch wie ein kleiner Vogel,gelegentlich drang ein Röcheln aus seinem trockenen Mund.
Der Medicus erkannte sofort, dass Clara nicht mehr lange zu leben hatte, falls sich ihr Zustand nicht schnell besserte. Schon zu oft hatte er in Schongau in letzter Zeit die gleichen Symptome gesehen. Wenn die Kranken erst einmal Blut spuckten, ertönten bald die Himmelsfanfaren.
»Ich hoffe, Eure Reise war von Erfolg gekrönt«, sagte Jakob Schreevogl leise, ohne seine Augen von Clara abzuwenden. »Wenngleich mir auch alles Gold der Welt zurzeit nichts bedeutet. Clara ist unser Augenstern. Wenn sie stirbt, stirbt auch ein Teil von mir …«
Simon schüttelte den Kopf. »Unsere Suche ist gescheitert. Aber das ist jetzt nicht
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