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Die Henkerstochter und der schwarze M�nch

Titel: Die Henkerstochter und der schwarze M�nch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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frische Fußspuren zu erkennen.
    Es waren kleine, zierliche Fußspuren.
    Als er über das Gitter stieg, sah er sie. Dort unten, am Fuße der Treppe, kauerte die Frau, die eine Woche lang die reiche Landsberger Händlerin Benedikta Koppmeyer gewesen war. Sie hatte die Arme um ihre angezogenen Beine geschlungen. Zitternd vor Kälte, die Haare wirr im Gesicht, die Schminke verschmiert, blickte sie hoch zu Simon, der unschlüssig am oberen Ende der Treppe stand. In den Augen der Frau schimmerte ein stummes Flehen, ihre Lippen formten ein schmales Lächeln, fast wie bei einem Kind, das um Verzeihung bittet.
    Lange sah Simon sie an. Hinter dem vornehmen Schein, der Eitelkeit, der Skrupellosigkeit und der Gier tauchte plötzlich der nackte Mensch auf. Er glaubte zu erkennen, wer sie wirklich war.
    »Und?«, tönte es von fern zu ihm herüber. Es war die Stimme des Henkers. »Hast du sie gefunden?«
    Noch einmal schaute Simon der rothaarigen Frau ins Gesicht. Dann wandte er sich um.
    »Nein. Hier ist sie nicht!«, rief er. »Lasst uns dort drüben nachsehen.«
    Nach einer weiteren halben Stunde erfolglosen Suchens trafen sich die drei schließlich wieder am Friedhofsgatter. Es stellte sich heraus, dass nicht nur Benedikta, sondern auchihr Pferd verschwunden war. Der Hochstaplerin war ganz offensichtlich die Flucht gelungen. Magdalena hatte sich an der Jagd nicht beteiligt, sondern währenddessen, an einem Grabstein gelehnt, auf die zwei Männer gewartet.
    »Ich mag so eine Hatz nicht«, sagte sie. »Auch wenn ich sie nie hab leiden können, das hat sie nicht verdient.«
    »Blödes Huhn!«, schimpfte Jakob Kuisl. »Dieses Weibsbild hat dafür gesorgt, dass wenigstens ein Dutzend Männer kaltblütig umgebracht worden sind! Sie ist eine Mörderin, geht das in dein Hirnkastel nicht rein?«
    »Uns gegenüber war sie keine Mörderin«, sagte Simon. »Im Gegenteil. Damals im Wald hinter Peiting hat sie mir sogar das Leben gerettet.«
    Der Henker sah ihn lange prüfend an. »Bist du sicher, dass du sie nicht doch irgendwo auf dem Friedhof gesehen hast?«, fragte er schließlich.
    »Ich dachte, ich hätte sie gesehen«, sagte Simon. »Aber ich habe mich getäuscht.«
    Dann stapfte er durch den Schnee auf das dunkle Kloster zu.

16
     
    S ie verbrachten den Rest der Nacht bei einem Großbauern in der Gegend von Steingaden. Der alte Hans Haldenberger schlug drei Kreuze, als der Schongauer Henker plötzlich vor ihm stand, doch er wagte nicht, den bärbeißigen Hünen mit der Naht im Gesicht und dem blutigen Verband am Oberarm abzuweisen. So blieben sie bis zum Morgengrauen in der warmen Stube des Bauernhauses.
    Simon kauerte die ganze Nacht neben Magdalena auf der schmalen Ofenbank. Der Schlaf wollte und wollte nicht kommen, und das lag nicht nur an dem trompetenhaften Geschnarche des Henkers unter ihnen auf dem Fußboden, sondern auch daran, dass ihm zu viele Gedanken durch den Kopf wirbelten. Wie hatte er sich in Benedikta nur so täuschen können! Sie hatte ihn benutzt, und er war ihr wie ein treues Hündchen nachgelaufen. Doch Benediktas Blick am Ende, dort unten auf den Stufen der Gruft, hatte etwas anderes erzählt. Hatte sie vielleicht doch etwas für ihn empfunden? So oder so, nun wurde er gemeinsam mit ihr als flüchtiger Reliquienschänder gesucht! Noch hatte Simon keine Ahnung, wie er seinen Kopf wieder aus der Schlinge ziehen sollte. Außerdem hatte er für den flüchtigen Traum vom Glück in Reichtum und Wohlstand seine Beziehung mit Magdalena aufs Spiel gesetzt! Steif wie eine Tote lag die Henkerstochter nun neben ihm. Als er sie einmal zaghaft berührte, drehte sie sich nur zur Seite und zeigteihm die kalte Schulter. Doch er spürte, dass auch sie nicht schlief.
    Kurz vor Tagesanbruch fuhr Magdalena schließlich hoch und sah ihn mit zornig funkelnden Augen an wie eine Furie. Stroh hing in ihren verfilzten Haaren, eine steile Furche zog sich quer über ihre Stirn.
    »Sag’s endlich«, zischte sie. »Hast du mit ihr was gehabt? Spuck’s schon aus, du ausgschamter Haderlump!«
    Mit schmalen Lippen schüttelte Simon den Kopf. Er war sich sicher: Hätte er genickt, hätte Magdalena ihn vermutlich auf der Stelle mit einem glühenden Holzscheit erschlagen.
    »Es war nichts«, flüsterte er. »Glaub mir.«
    »Schwör’s! Bei allen Heiligen!«
    Simon lächelte. »Lass uns die Heiligen raushalten. Die sind zurzeit nicht gut auf mich zu sprechen. Ich schwöre bei unserer Liebe, reicht das?«
    Magdalena zögerte einen Moment, dann

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