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Die Henkerstochter und der schwarze M�nch

Titel: Die Henkerstochter und der schwarze M�nch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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neuen Schrei aus dem Röhricht zuckte Simon zusammen. Er musste an die Räuberbande denken, die hier in der Gegend ihr Unwesen trieb.
    Neben ihm summte Benedikta ein kleines französisches Liedchen.
    Belle qui tiens ma vie, captive dans tes yeux …
    Als Simon ihrer Stimme lauschte, merkte er, wie ihm merkwürdig warm wurde ums Herz. Er verstand zwar nur die Hälfte der Worte, doch allein der Klang dieser fremden Sprache ließ Fernweh in ihm aufsteigen. Hier im Pfaffenwinkel war alles so ... gottesfürchtig. So verkrustet und verschlafen. Nichts änderte sich. In Paris hingegen, dort wussten die Menschen zu leben! Er hatte gehört, dass es dort Theater und Schneider an jeder Straßenecke gab; die Menschen rochen nach Parfum aus Lavendel und Vergissmeinnicht, und an der Sorbonne lehrten die besten Mediziner aus ganz Europa!
    So in Gedanken war er, dass er die Wegelagerer erst sah, als sie fast vor ihnen standen.
    Drei Gestalten standen abwartend am Rande des Weges im dichten Schneetreiben. Zwei von ihnen stützten sich auf lange, grobgeschnitzte Knüppel, dem Dritten baumelte ein Degen an der Hüfte. Nun bemerkte Simon noch einen vierten Mann. Er hockte im Dickicht und hatte seine Muskete, die er lässig auf eine Baumwurzel gestützt hatte, auf sie gerichtet. Alle vier sahen ausgehungert aus. Ihre Gesichter waren eingefallen, die Bärte zottig und mit kleinen Eiszapfen behangen. Gekleidet waren sie in löchrige Röcke und fleckige Soldatenmäntel; die Füße steckten in Stiefeln, die nur noch aus Fetzen bestanden.
    »Was haben wir denn da?«, fragte der Mann mit dem Degen und grinste anzüglich. Er war offensichtlich der Anführer. »Ein schönes Weib und ihr Galan, ganz alleine unterwegs. Und beide so vornehm gekleidet!« Er machte einen Kratzfuß, die anderen brachen daraufhin in meckerndes Gelächter aus. Mittlerweile verfluchte Simon seine geckenhafte Aufmachung. Er musste hier im Wald wirken wie ein fetter Fasan auf Brautschau.
    »Nun denn, ein kleines Almosen für ein paar arme Sünder , denen der Krieg böse mitgespielt hat und die sich keine so schönen Kleider leisten können«, sagte der Anführer immer noch in gebückter Haltung. Er hielt fordernd die Hand auf, während seine andere Hand mit dem Degen spielte.
    Simon konnte sehen, wie einer der Räuber am Wegesrand Benedikta musterte und sich mit der Zunge über die Lippen fuhr. Der Mann an der Muskete ließ seinen Blick derweil prüfend über Simons teuren Mantel gleiten. Die Augen erinnerten den Medicus an die eines wilden Tieres, ausdruckslos und gierig; kein Funken Menschlichkeit, der darin leuchtete. Simon öffnete den Mund, um etwas zusagen, um die Frau an seiner Seite, wenn nicht mit der Waffe, so doch mit Worten zu verteidigen, aber alles, was er herausbrachte, war ein heiseres Krächzen. Er wusste: Diese Männer würden sie ausrauben und abschlachten wie Vieh. Aber vorher würden sie einer nach dem anderen über Benedikta herfallen. Der Medicus nestelte in seiner Manteltasche nach dem scharfen Stilett, das er neben einigen medizinischen Utensilien immer bei sich führte. Doch was nutzte ihm ein Messer gegen vier bewaffnete Räuber! Außerdem begann Walli, unter ihm nervös herumzutänzeln. Lange würde er die alte Mähre nicht mehr ruhig halten können.
    »Geh zur Seite, oder ich reiß dir den Bauch bis zum Hals hin auf. Espèce de pourriture !«
    Kurz glaubte Simon, sich verhört zu haben, aber es war tatsächlich Benedikta, die gesprochen hatte. Kühl musterte sie den Räuberhauptmann vor ihr, die Hände ruhig und abwartend auf den Sattelknauf gestützt.
    Auch die Räuber waren von so viel Chuzpe überrascht. Der Räuberhauptmann klappte den Mund auf, aber es dauerte einen Moment, bis er etwas herausbrachte.
    »Du kleines, hochmütiges Mistvieh«, knurrte er schließlich. »Du wirst winseln, wenn ich mit dir fertig bin. Und dann sind meine Kameraden dran, und dieser Pfau darf zusehen.«
    »Zum letzten Mal, tritt zur Seite.« Benediktas Stimme blieb weiter kühl. Ihr Pferd schnaubte, eine Dampfwolke erschien über den Nüstern.
    »Jetzt langt’s, du gottverdammte Hure.« Der Räuberhauptmann griff nach dem Zügel vor ihm. »Ich werd dir zeigen, was ... «
    Der Schuss hallte wie ein Peitschenschlag durch den Winterwald. Einen Moment lang blieb der Räuber noch stehen und blickte mit offenem Mund auf das Loch in seiner Brust. Die Kugel hatte Mantel, Rock und das Fleisch darunter zerfetzt, Blut schoss in einem dünnen Strahl hervor. Mit einem

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