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Die Henkerstochter und der schwarze M�nch

Titel: Die Henkerstochter und der schwarze M�nch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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trommeln.
    »Das Zaumzeug hängt in der Ecke«, brummte der Henker , ohne aufzusehen. »Ich hoff, du kommst allein zurecht.Ich muss weg. Der Lechner will mich wegen irgendwas sprechen. Befehl von oben.« Er legte die Mistgabel weg, klopfte sich den Schmutz von den schwieligen Händen und wandte sich zur Tür, die in den Wohnbereich führte. »Wahrscheinlich hat sich wieder einer der Ratsherren bei ihm beschwert, weil ich den Leuten verbotenerweise eine Arznei verkauft habe«, murmelte er. »Trottel, damische!« Dann drehte er sich noch einmal um.
    »Ach, wenn die Walli bös ist und schnappt, dann zieh sie einfach an den Ohren. Dann gibt sie Ruh, bestimmt.« Er stapfte leise fluchend hinüber in die Stube.
    Simon stierte das Pferd vor sich an, und das Pferd stierte mit kleinen, bösen Augen zurück. Der Medicus schluckte. Schließlich griff er zur Trense am Haken und öffnete mit beruhigenden Gesten und sanften Worten den Verschlag. Benedikta würde wohl noch eine Weile warten müssen.
     
    Jakob Kuisl fluchte noch immer, als er sich mit frischem Hemd und gewaschenen Händen auf den Weg hinauf zur Stadt machte. Es hatte nie etwas Gutes zu bedeuten, wenn der Schreiber Johann Lechner ihn zu sich bestellte. Lechner galt als heimliches Oberhaupt Schongaus. Zwar gab es den Stadtrat und die vier Bürgermeister, die sich quartalsweise an der Spitze abwechselten. Doch der Gerichtsschreiber war der offizielle Vertreter des kurfürstlichen Pflegers im Ort. Und da sich Pfleger Graf von Sandizell, geschweige denn der Kurfürst selbst, nur selten hier blicken ließen, regierte Lechner wie ein König ohne Thron. Er war eigentlich nur für die fürstlichen Belange zuständig, doch durch geschicktes Taktieren hatte er es immer wieder verstanden, sich auch in die Geschäfte der Stadt einzumischen.
    Der Henker betrat die Stadt durch das Lechtor und wandte sich nach rechts in die Hennengasse. Schneeflocken bliesen ihm ins Gesicht und ließen ihn die Augen zusammenkneifen. Er mied die großen Straßen, hier im Ort war er nichtgern gesehen. Die wenigen Leute, die ihm im dichten Schneetreiben begegneten, blickten weg oder schlugen murmelnd ein Kreuz. Als Scharfrichter durfte Jakob Kuisl nicht christlich heiraten, er würde später kein christliches Begräbnis bekommen und seine Kinder blieben ungetauft. Wenn er in den düsteren Tavernen hinter dem Ballenhaus sein Bier trank, saß er an einem eigenen Tisch, ausgeschlossen und gemieden. Trotzdem kamen die Leute immer wieder heimlich zu ihm, um sich kurieren zu lassen oder ein todsicheres Zauberamulett zu ergattern. Jakob Kuisl seufzte. Er hatte es längst aufgegeben, sich über den Verstand der Menschen den Kopf zu zerbrechen.
    Endlich stand der Henker vor dem herzoglichen Schloss, das direkt an die westliche Stadtmauer grenzte. Das Gebäude wirkte verfallen, einem der Wehrtürme fehlte das Dach, Schnee fiel auf die verkohlten Dachbalken. Eine Brücke mit angefaultem Geländer führte über einen zugewachsenen Schlossgraben ins Innere des Zwingers.
    Gerade als Kuisl die Brücke passieren wollte, war aus dem Innenhof Wiehern und das Getrappel eines Pferdes zu hören. Im schnellen Galopp raste ein schwarzer Hengst auf den Henker zu. Auf ihm saß ein ebenso schwarzgewandeter Reiter, gekleidet in eine Kutte mit Kapuze, die sein Gesicht fast gänzlich verbarg. Der Mann schien Jakob Kuisl überhaupt nicht wahrzunehmen. Er galoppierte direkt auf ihn zu, so dass der Henker im letzten Moment zur Seite springen musste. Ein Zipfel des Mantels fuhr ihm über das Gesicht; Kuisls Nase roch ein teures, exotisches Parfum, dann war die Gestalt hinter der nächsten Straßenecke verschwunden. Der Henker warf dem unbekannten Reiter einen saftigen Fluch hinterher, überquerte mit wenigen Schritten den Rest der Brücke und betrat das Gebäude.
    Als Jakob Kuisl an die massive Holztür der Schreibstube im ersten Stock klopfte, bemerkte er im gleichen Moment, dass sie nur angelehnt war. Quietschend schwang sie nachinnen auf und gab den Blick frei auf Johann Lechner, der, bewaffnet mit Tinte und Feder, bei Kerzenschein über einigen Papieren saß und mit hektischen, kräftigen Bewegungen seine rechte Hand über ein Pergament gleiten ließ. Lange Zeit war nur das Kratzen der Feder zu hören.
    »Du kannst dich setzen, Kuisl«, sagte der Schreiber endlich, ohne aufzusehen. Er war blass, fast wächsern im Gesicht, ein Eindruck, der noch durch den schwarzen Spitzbart unterstützt wurde. Er trug eine flache, dunkle

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