Die Henkerstochter und der schwarze M�nch
jetzt nicht einfach heimgehen und deine Füß auf die Ofenbank legen! »
»O doch, das kann ich.« Jakob Kuisl stapfte weiter.
Magdalenas Stimme wurde plötzlich leise und scharf. »Und was ist, wenn sie für den Mord am Koppmeyer irgendeinen Unschuldigen ins Loch werfen? So wie bei der Stechlin damals?« Sie wusste, dass sie damit bei ihrem Vater einen wunden Punkt traf. »Es war doch ein Gift, das den Pfaffenumgebracht hat, oder?«, hakte sie nach. »Gut möglich also, dass sie dich wie beim letzten Mal die Hebamme foltern lassen, nur weil sie was von Giften versteht. Willst du das?«
Der Henker blieb stehen. Eine Zeitlang war nur das Krächzen einer Krähe zu hören.
»Also gut«, sagte er schließlich. »Wir schauen noch einmal in der Lorenzkirche nach. Gleich jetzt. Nur damit du wieder ruhig schlafen kannst.«
Der Fremde blickte den beiden nach, wie sie die Hauptstraße Richtung Lorenzkirche gingen. Mühsam presste er ein Vaterunser zwischen den Lippen hervor, um sich zu beruhigen. Sein Plan war nicht aufgegangen! Nur zu gerne hätte er aus dem Henkersmädchen herausgepresst, was ihr Vater in der Krypta gefunden hatte.
Magdalena …
Eine leise Erinnerung rieselte durch seinen Körper und verschwand wieder.
Der Fremde schüttelte sich. Er würde noch einmal mit diesem Schreiber reden müssen. Schließlich hatte er gutes Geld dafür bezahlt, dass ihnen der Henker nicht mehr in die Quere kam. Nun sah es ganz danach aus, als ob dieser stinkende Abdecker in Schongau schalten und walten konnte, wie es ihm beliebte.
Die Finger des Mannes spielten mit dem goldenen Kreuz, das unter dem schwarzen Mantel und der weißen Tunika darunter direkt über seinem Herzen hing. Er würde Kraft brauchen. Seine Bruderschaft hatte noch nie etwas davon gehalten, wenn das einfache Volk lesen lernte. Man sah ja, wozu das führte. Die Leute wurden aufmüpfig und scherten sich einen Dreck um Befehle. Er hatte im Wirtshaus erfahren, dass der Henker trotz seiner Herkunft schlau und gebildet war, das machte ihn gefährlich. Gefährlicher jedenfalls als diesen anderen Schnüffler, diesen kleinen Feldscher, der wie ein Hündchen hinter seinem Herrn herlief.
Der Fremde küsste das Kreuz und steckte es zurück unter die Tunika. Er hatte einen Entschluss gefasst. Auf den Schreiber war kein Verlass, er musste selber handeln. Sie würden den Henker beseitigen, und zwar sofort; zu groß war die Gefahr, dass er ihnen ins Handwerk pfuschte. Jetzt musste er nur noch die anderen warnen.
Das Geräusch seiner Schritte wurde vom weichen Schnee verschluckt.
Der Henker und seine Tochter gingen auf die Lorenzkirche zu, deren windschiefer Turm von den aufziehenden Nebelschwaden der Abenddämmerung fast verschluckt wurde. Auch wenn kein Wind wehte, war es schneidend kalt. Drüben am Pfarrhaus konnte Magdalena zwischen den Ritzen der Fensterläden den Schein eines Kienspans ausmachen. Die Pfarrhaushälterin und der Mesner waren offenbar noch wach. Jakob Kuisl hielt direkt auf die Kirche zu, als ihn seine Tochter nervös am Ärmel zupfte.
»Schau, da drüben!«, flüsterte sie und deutete auf die Kirche.
Die Tür zum Gotteshaus war mit einer eisernen Kette versperrt, doch in den Fenstern leuchtete für einen kurzen Moment Fackelschein. Ein Flackern nur, doch Kuisl hatte es deutlich gesehen.
»Was zum Teufel ... ? «, knurrte er. Er ging um die Kirche herum, Magdalena folgte ihm. Vom Friedhofsgatter aus stießen sie auf frische Fußspuren, die in Höhe der Apsis auf das Gebäude zuführten.
Der Henker bückte sich und nahm die Spuren in Augenschein. »Es sind zwei«, flüsterte er. »Festes Schuhwerk, gute Stiefel. Das sind keine Handwerker oder Bauern von hier.« Sein Blick folgte den Fußspuren. Sie endeten an einem wackligen Baugerüst, das die Handwerker bereits im Herbst aufgebaut hatten, in luftiger Höhe war ein Kirchenfenster aufgebrochen.
»Wir sollten Hilfe holen«, sagte Magdalena ängstlich.
Ihr Vater lachte leise. »Wen? Die Magda? Den dürren Mesner?« Er stapfte auf das Baugerüst zu. »Darum muss ich mich selber kümmern«, murmelte er. Er drehte sich noch einmal zu Magdalena um.
»Du bleibst hier, verstanden? Egal, was passiert. Wenn ich nach dem nächsten Glockenläuten immer noch drin bin, kannst du von mir aus Hilfe holen. Vorher nicht.«
»Soll ich dich nicht begleiten?«, fragte sie.
»Nichts da. Du bist mir keine Hilfe. Duck dich hinter die Grabsteine und wart, bis ich wiederkomm.«
Mit diesen Worten begann er, an
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