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Die Henkerstochter und der schwarze M�nch

Titel: Die Henkerstochter und der schwarze M�nch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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den Stangen des Baugerüsts hochzuklettern. Das Gerüst ächzte und wankte, doch es hielt. Nach wenigen Augenblicken hatte der Henker die zweite Ebene erreicht. Er balancierte auf den vereisten Brettern bis zu dem aufgebrochenen Fenster und kroch ins Innere.
    Obwohl draußen erst die Dämmerung einsetzte, war es hier drinnen in der Kirche bereits stockfinster. Jakob Kuisl kniff die Augen zusammen, es dauerte eine Weile, bis sie sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Der Henker spürte den frisch gehobelten Boden der Galerie unter sich, von irgendwoher war ein Klopfen zu hören. Stimmen zischten. Schließlich konnte er den Boden und die Wände der Kirche schemenhaft wahrnehmen. Ein Blick genügte, um festzustellen, dass der Maurer Peter Baumgartner die Wahrheit gesagt hatte. An den Wänden hier oben auf Höhe der Galerie prangten tatsächlich rote Tatzenkreuze an der Wand. Sie waren frisch übermalt worden. Aber jemand hatte sich die Mühe gemacht, die weiße Kalkfarbe an einigen Stellen wieder abzuwaschen.
    So, als wollte er überprüfen, was dahinter war, dachte der Henker.
    Er sah von der Galerie nach unten und erkannte, dass die Grabplatte zur Seite geschoben war, obwohl er sie selbst nach seinem letzten Besuch wieder eingepasst hatte.
    Seine Hand glitt unter den Mantel, wo im Gürtel der schwere Knüppel aus Lärchenholz steckte, den er immer mit sich führte. Gerade eben im Wirtshaus hatte er auf seinen Einsatz verzichtet. Kuisl wusste, dass ein Schlag mit dieser Waffe den Schädel jedes Gegners wie eine Walnuss zerschmettern konnte. Jetzt holte er den Knüppel hervor und wog das warme Holz in der Hand. Er würde ihn heute noch brauchen, so viel stand fest.
    Seine Füße tasteten sich auf die Treppe zu, die neben dem Portal abwärtsführte. Leise wie eine Katze glitt er nach unten und eilte auf das Loch im Boden zu. Stimmen drangen herauf. Sie klangen seltsam verhallt, die Eindringlinge mussten sich im hinteren Teil der Krypta befinden, wo auch der Sarkophag stand.
    Nachdenklich musterte der Henker die schwere Grabplatte, die schief neben dem Loch auf dem Boden lag. Wer auch immer dort unten war, es konnte seit dem Einstieg noch nicht viel Zeit vergangen sein; schließlich hatten er und Magdalena noch vor kurzem Fackelschein in der Kirche gesehen.
    Der Henker sah sich noch einmal in der Dunkelheit um, dann stieg er leise die steinernen Stufen hinab, bis er schließlich in der Abstellkammer stand.
    Der Eichentisch an der Wand gegenüber war weggeräumt. Durch das niedrige Portal dahinter drang der flackernde Schein einer Laterne. Die Stimmen waren jetzt deutlich zu hören.
    »Es muss hier noch ein Hinweis sein, verdammt! Irgendetwas!«, zischte eine von ihnen. Sie klang seltsam heiser , als ob der Mann Schwierigkeiten beim Sprechen hatte. »Das Grab ist das richtige, also hat er es hier irgendwo versteckt.«
    »Hier ist nichts, so wahr mir Gott helfe!« Die zweite Stimme war dunkel und hatte einen schwäbischen Einschlag. »Nur diese Marmorplatte mit dem Spruch, ansonstenKnochen und Fetzen.« Die Stimme ging in ein Flüstern über. »Bei meiner Seel, dass uns Gott nicht strafe, weil wir die Ruhe des Toten stören.«
    »Kümmer dich lieber darum, dieses verfluchte Ketzerrätsel zu lösen. Nur deshalb hat dich der Meister an unsere Seite gestellt. Vergiss das nicht, fetter, verweichlichter Sack. Wenn es nach mir gegangen wäre, würdest du noch immer in irgendwelchen Kellern Bücher abstauben. Also hör auf zu jammern und such weiter! Deus lo vult! «
    Erst jetzt hörte Jakob Kuisl in der heiseren Stimme des ersten Fremden einen merkwürdigen Akzent heraus. Er musste ein Ausländer sein.
    »Also gut, lass uns noch einmal im Nebenraum nachschauen«, ertönte nun wieder der ängstliche Schwabe. »Vielleicht habe ich in einer der Kisten ja etwas übersehen. Der Ketzer könnte es auch dort zwischen all dem Gerümpel versteckt haben.«
    Am Klang der Stimme konnte Jakob Kuisl erkennen, dass die Gestalten sich jetzt dem Vorraum näherten. Der Henker drückte sich an die Wand direkt neben dem Portal. Schritte kamen näher, ein warmer Lichtkreis bewegte sich langsam auf ihn zu. Im Torbogen tauchte nun eine sehnige Hand auf, die eine eiserne Öllampe vor sich hertrug. Der Ärmel einer schwarzen Kutte ragte hervor.
    Jakob Kuisl reagierte geistesgegenwärtig. Er schlug mit dem Knüppel auf die Hand, so dass die Laterne zu Boden fiel und erlosch. Dem Laternenträger blieb kaum Zeit zum Schreien, weil ihn Kuisl ruckartig nach

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