Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Henkerstochter und der schwarze M�nch

Titel: Die Henkerstochter und der schwarze M�nch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
Vom Netzwerk:
Simon erwachte, lag er in einem Bett mit weißem Linnen und starrte auf eine Holzdecke aus frisch gehobeltem Fichtenholz. Von irgendwo draußen drang zu ihm der dumpfe Lärm einer Baustelle. Hämmern, Sägen, das Rufen einzelner Männer. Wo um alles in der Welt war er?
    Er richtete sich auf und spürte, wie ein stechender Schmerz durch seinen Kopf raste. Als er nach seiner Stirn tastete, fühlte er einen frischen Verband aus Leinenstreifen. Die Erinnerung kam zurück. Räuber hatten sie überfallen! Benedikta hatte ... ja, sie hatte geschossen, dann die Flucht durch den Wald und schließlich Schwärze. Ein Ast musste ihn erwischt haben. Starke Arme hatten ihn auf ein Pferd gehoben, er konnte sich an Stimmen erinnern und an das Schaukeln des Tieres. Dann nichts mehr.
    Simon spürte Durst. Als er sich umsah, konnte er rechts neben dem Bett ein kniehohes Nachttischchen erkennen, auf dem ein tönerner Becher stand. Nicht nur die Holzdecke, auch das Nachttischchen schien erst vor kurzem gezimmert worden zu sein, ebenso das breite Bett; ein Duft von Harz und frisch geschlagenem Holz lag in der Luft. Ein kleiner Kaminofen bollerte in der Ecke, ansonsten war der Raum leer. Die Fensterläden waren zugezogen, sodass nur ein schmaler ,aber heller Lichtstrahl nach drinnen drang. Es musste Tag sein.
    Simon griff nach dem Becher und probierte die Flüssigkeitdarin. Sie schmeckte bitter und aromatisch nach Minze, offenbar eine Medizin, die man ihm hingestellt hatte. In tiefen Schlucken trank er, als sich knarzend die Tür öffnete. Benedikta stand im Türrahmen und lächelte ihn an.
    »Na, ausgeschlafen?« Sie deutete auf seinen Verband. »Das hat zwar kein Medicus gemacht, aber ich nehme an, die Chorherren hier können auch mit Nadel und Faden umgehen.«
    »Die Chorherren?« Simon sah sie verwirrt an.
    Benedikta nickte. »Prämonstratenser. Wir sind im Steingadener Kloster. Als wir vor den Räubern geflohen sind, habt Ihr Euch den Kopf an einem Ast gestoßen. Ich habe Euch auf das Pferd gehoben und hierhergebracht. Es waren nur noch ein paar Meilen.«
    »Aber die Männer ... Die Stimmen ... « Simon spürte, wie sich die Kopfschmerzen immer mehr in sein Gehirn fraßen. Mitleidig blickte Benedikta auf ihn herunter. Er fühlte Hitze in sich aufsteigen. Mit Verband, blass, nur mit seinem schmutzigen Leinenhemd bekleidet, musste er einen denkbar jämmerlichen Eindruck machen.
    »Welche Stimmen?«, fragte sie.
    »Als ich ohnmächtig war ... wer hat mir da aufs Pferd geholfen?«
    Benedikta lachte. »Das war ich! Aber wenn es Euch beruhigt, ausgezogen haben Euch später die Mönche.«
    Simon lächelte. »Wenn Ihr es gewesen wärt, hätte ich mich sicher daran erinnert.«
    Spielerisch entrüstet hob sie die Augenbrauen und wandte sich zum Gehen.
    »Bevor wir die Grenzen des Anstands überschreiten, ist es wohl besser, wenn wir uns dem zuwenden, weshalb wir tatsächlich hier sind«, sagte sie. »Der Abt erwartet uns bereits. Natürlich nur, wenn es Euere Verletzung zulässt«, fügte sie mit einem spöttischen Lächeln hinzu. »Ich werde draußen auf Euch warten.«
    Die Tür schloss sich, doch Simon blieb noch einen Augenblickliegen, um seine Gedanken zu sammeln. Diese Frau … verwirrte ihn. Schließlich erhob er sich und zog sich an. Die Kopfschmerzen plagten ihn zwar noch gewaltig, aber ein kurzes Abtasten des Verbands überzeugte ihn, dass die Mönche ihre Sache gut gemacht hatten. Eine saubere Naht war zu spüren; eine kleine Narbe oberhalb des Haaransatzes würde vermutlich alles sein, was zurückblieb.
    Vorsichtig öffnete der Medicus die Tür und war sofort geblendet von grellem Winterlicht. Der Himmel war strahlend blau, die Sonne schien und ließ den Schnee funkeln und glitzern. Simon brauchte eine Weile, bis sich seine Augen daran gewöhnt hatten. Dann blickte er auf die größte Baustelle, die er bislang gesehen hatte.
    Vor ihm lag das Kloster Steingaden, oder vielmehr das, was nach dem Überfall der Schweden dort in neuer Pracht entstehen sollte. Simon hatte zwar gehört, dass der jetzige Abt Augustin Bonenmayr ehrgeizige Pläne verfolgte. Doch wie ehrgeizig diese Pläne waren, konnte er erst jetzt mit eigenen Augen sehen. Überall auf dem Gelände standen kurz zuvor hochgezogene Gebäude. An vielen schimmerte noch der frische Dachstuhl; die meisten waren eingerüstet, weißgewandete Mönche und zahlreiche Handwerker liefen Seite an Seite mit Kellen und Fuhren voller Mörtel herum. Links von Simon zogen drei Männer unter

Weitere Kostenlose Bücher