Die Henkerstochter und der schwarze M�nch
vôtre. « Simon ließ sein Glas an ihres klirren. Die Frau aus Landsberg verblüffte ihn immer wieder aufs Neue. Doch sie hatte recht. Sollte auch nur ein Bruchteil des Templerschatzes irgendwo im Pfaffenwinkel vergraben sein, brauchte er sich über seine Zukunft keine Gedanken mehr machen. Er würde sich truhenweise Mäntel, Röcke und neue Schuhe, außerdem Hüte mit Pfauenfedern, ein schnelles Pferd und einen Koffer mit den neuesten ärztlichen Instrumenten kaufen können. Sein Ansehen in der Stadt würde sprunghaft steigen. Und nicht nur das! Wer wollte ihm dann noch verbieten, die Tochter des Scharfrichters zu heiraten? Er würde für Magdalena und sich ein Haus bauen! Wer weiß, vielleicht machten sie ja gemeinsam in Schongau eine Apothekeauf? Er als Medicus, sie als seine Ehefrau, bewandert in den Heilkräutern und Giften der Gegend ... Ein perfektes Paar!
Vor lauter Freude über sein zukünftiges Leben bemerkte Simon nicht, dass im hinteren Teil eine hagere Gestalt vom Tisch aufstand und zur Tür ging. Als der Mann die Schenke verließ, verbreitete er einen leichten Hauch von Frühling.
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M agdalena stand vor der Pfarrkirche und zog das wollene Tuch um ihre Schultern, die Kälte stach wie mit Nadeln. Nach ihrem Besuch bei der Schwarzfärberin war sie ziellos durch die Gassen gelaufen. Wo sollte sie hingehen? Simon würde sie nach ihrem Wutanfall bestimmt zu Hause bei ihren Eltern suchen. Doch auch jetzt, nachdem der erste Zorn verraucht war, wollte sie ihn nicht sehen. Vielleicht stand er gerade jetzt unten im Gerberviertel vor der Tür des Henkershauses und machte sich Sorgen um sie. Sollte er doch! Was musste er in ihrer Gegenwart auch von diesem Frauenzimmer schwärmen. Es konnte ihm nur guttun, wenn er sich ein wenig grämte, vielleicht weckte das ja sein schlechtes Gewissen. So sprang man mit einer Kuisl nicht um!
In Gedanken versunken, wanderte sie über den Marktplatz. Die Dämmerung hatte bereits eingesetzt, ein fahrender Händler bot Scheren, Messer und allerlei Tand feil. Magdalena stieg der Geruch von mit Honig gerösteten Haselnüssen in die Nase. Sie rieb ihre klammen Hände aneinander und sah sich um. Jetzt am Abend waren nur noch wenige Schongauer Bürger auf dem Platz unterwegs. Im leichten Schneetreiben waren sie in mehr oder weniger löchrige Tücher und Mäntel gehüllt und gingen gebückt, damit ihnen die Flocken nicht in die Augen wehten. Magdalena blickte in leere, ausgemergelte Gesichter. Der Große Krieg war erst wenige Jahrevorbei, noch immer litten die Menschen unter den Folgen. Pest, Krankheit und Hunger waren damals über die einst reiche Stadt gekommen. Auch jetzt noch verdeckte nur der Schnee den bröckelnden Putz an den Wänden und den gefrorenen Kot auf den Straßen. Zwischen den Häusern standen vereinzelt Ruinen mit eingefallenen Dächern, stumme Zeugen von ganzen Sippschaften, die die Pest hinweggerafft hatte. In den letzten Jahrzehnten hatte die Stadt durch die Seuchen mehr als ein Drittel ihrer Einwohner verloren, fast jede Familie hatte mindestens einen Toten zu beklagen. In ihrer Kindheit hatte Magdalena oft die Karren gesehen, mit denen die Leichen dutzendweise zum neuen Friedhof Sankt Sebastian gebracht wurden. Der alte Friedhof an der Stadtpfarrkirche reichte für die vielen Toten schon lange nicht mehr aus. Und jetzt war auch noch dieses Fieber über die Stadt gekommen!
Einem spontanen Entschluss folgend, ging Magdalena auf das Haus des Semer-Wirts zu. Sie hatte noch ein paar Münzen in der Tasche, und ein warmes Getränk würde ihr nach dem ganzen Ärger bestimmt guttun. Allein der Gedanke daran besserte ihre Stimmung merklich auf. Sie hatte bereits die Hand auf der Klinke, als sie einen Blick durch die Butzenscheiben links vom Eingang warf.
Der Anblick traf sie wie ein Schlag ins Gesicht.
Leicht verschwommen sah sie hinter den Scheiben Simon und Benedikta an einem Tisch sitzen. Die beiden schienen in etwas vertieft; im schummrigen Licht der Kerzen glaubte Magdalena zu erkennen, wie Simon den Arm um die Händlerin legte. Die Henkerstochter durchlief es gleichzeitig heiß und kalt. Kurz war sie versucht, die Tür aufzureißen, einen schweren Humpen aus den Regalen zu reißen und ihn auf Simon zu schleudern. Doch dann rannte sie einfach nur über den Marktplatz davon, unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen. Tränen liefen ihr übers Gesicht und gefroren zu Eis.
Als sie wieder zu sich kam, stand sie in der Nähe des Kuehtors.Das Haus der Hebamme war nur
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