Die Henkerstochter und der schwarze M�nch
Säbel, den fleckigen Söldnerrock und das Gewehr, die fein säuberlich nebeneinander auf dem Tisch lagen. Mit dem Finger strich sie über den kupferverstärkten Lauf der Muskete.
»Wo hast du die her?«
»Von früher.«
Die Henkerstochter wandte den Blick von den Waffen ab und sah ihrem Vater direkt ins Gesicht.
»Du hast mir nie von früher erzählt. Die Mutter meint, du seist ein rechtschaffener Soldat gewesen. Stimmt das? Warum bist du in den Krieg gezogen?«
Jakob Kuisl schwieg lange. »Was willst du mit deinem Leben anfangen?«, fragte er schließlich.
Magdalena zuckte mit den Schultern. »Hab ich die Wahl? Als Henkerstochter bleibt mir doch nichts anderes übrig, als einen Schinder oder Scharfrichter zu heiraten. Auch du kannst keinen anderen Beruf wählen.«
»Siehst«, sagte der Henker. »Der Krieg ist grausam, aber er macht die Leut frei. Morden darf ein jeder, und wenn er’s schlau anstellt, dann wird er sogar ein Fähnrich oder Feldweibel und hat so viel Gold, dass er’s nicht versaufen kann.«
»Und warum bist du dann zurückgekommen?«, erwiderte Magdalena.
»Weil’s mit dem Töten so ist wie mit allem im Leben. Es muss seine Ordnung haben.«
Mit dieser Antwort ließ es der Henker bewenden. Er klappte die Truhe zu und sah seine Tochter herausfordernd an.
»Nach Augsburg willst also? Und warum?«
Magdalena erklärte ihm, dass die Hebamme einige wichtige Ingredienzien brauche und sie deshalb in die große Stadt schicken wolle.
»Und einen Bezoar soll ich ihr auch besorgen!«, schloss sie aufgeregt.
»Einen Bezoar?«
»Ein Stein aus dem Magen einer Ziege, der gegen Unfruchtbarkeit und schwere Geburten hilft und ... «
»Ich weiß, was ein Bezoar ist«, unterbrach sie der Henker barsch. »Für was braucht ihn die Stechlin?«
Magdalena zuckte mit den Schultern. »Die Frau vom Zweiten Bürgermeister, die Holzhoferin, ist schwanger, aber das Kind will nicht raus. Sie hat von der Stechlin einen Bezoar verlangt.«
»Da wird die Holzhoferin aber einiges berappen müssen«, knurrte der Henker. »Ein Bezoar ist nicht billig. Das heißt, dass du einen Haufen Geld mit nach Augsburg nimmst.«
Magdalena nickte. »Gleich morgen früh will’s mir die Stechlin geben.«
»Und wenn du ausgeraubt wirst?«
Lachend drückte Magdalena ihrem Vater einen Kuss auf die Wange. »Machst dir Sorgen um mich? Vergiss nicht, ich bin die Tochter vom Schongauer Henker! Die Leut haben eher Angst vor mir als ich vor ihnen.« Sie lächelte ihn an. »Bitte erlaub’s! Die Mutter hat gesagt, ich muss dich fragen. Gleich morgen nehm ich das Floß, und zurück geht’s mit einem Tross Augsburger Händler. Was soll schon groß passieren? »
Jakob Kuisl seufzte. Er konnte seiner Tochter nur sehr schwer etwas abschlagen.
»Also gut«, sagte er schließlich. »Aber nur, wenn du mir auch was mitbringst. Lass mal sehen, was ich brauche …«
Er ging hinüber in die Kammer, an deren gegenüberliegenden Wand ein gewaltiger Schrank stand, der bis zur Decke reichte. Aus Fächern und Regalen quollen Pergamente und Bücher, einige der Schubladen standen offen und gaben den Blick frei auf unzählige Beutel, Tiegel und Phiolen. In der ganzen Kammer roch es mitten im Winter plötzlich nach Sommer, nach Rosmarin, Ingwer, Muskat und Nelken. Der Apothekerschrank des Henkers war in ganz Schongau bekannt und wurde von Generation zu Generation weitergegeben. Nicht einmal die Hebamme, geschweige denn der Medicus, verfügten über eine solche Sammlung von Kräutern, Arzneien und Giften wie die Kuisls.
Auf dem wackligen Tisch in der Mitte der Kammer rußte in einem verrosteten Halter ein flackernder Kienspan. Magdalena erblickte in seinem Licht einige aufgeschlagene Bücher , die den ganzen Tisch bedeckten, darunter auch Dioscurides’ Werk über Heilpflanzen und ein ihr unbekanntes Buch, geschrieben in einer fremden Sprache.
»Schaust du was nach wegen dem vergifteten Koppmeyer?«, fragte sie neugierig.
»Kann schon sein.«
Ohne weiter zu antworten, durchforstete Jakob Kuisl seinen Bestand an Kräutern und Pulvern und schrieb Magdalena eine Liste zusammen.
»Ich brauch auch ein paar Zutaten, die dir ein Apotheker eigentlich nicht geben darf«, sagte er. »Getrocknete Tollkirschen und Stechapfelsamen, außerdem Alaun, Salpeter und Arsenikon. Ich kenn die Burschen, leg einfach ein paar Kreuzer drauf, dann werden sie dir das Zeug schon geben. Und wenn nicht ...« Er grinste. »Sag einfach, du kommst vom Schongauer Henker. Das hat noch alle
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