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Die Henkerstochter und der schwarze M�nch

Titel: Die Henkerstochter und der schwarze M�nch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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wenige Meter entfernt. Ohne weiter nachzudenken, riss sie die Tür auf und stürmte hinein.
    Martha Stechlin blickte erstaunt auf. Sie saß am Tisch in der Stube und zerrieb einige getrocknete Kräuter in einem Mörser. Schon wollte die Hebamme zu einer Strafpredigt ansetzen, doch als sie sah, dass das Henkersmädchen totenblass war und zitterte, besann sie sich eines Besseren.
    »Mädel, was ist mit dir?«, fragte sie besorgt. »Es ist doch nicht wegen der Sach bei der Steigenbergerin? Du kannst unbesorgt sein, das Kind ist wohlauf, du brauchst dich nicht …«
    Magdalena schüttelte den Kopf, dann brach sie wieder in Tränen aus. Die Hebamme führte sie an den Tisch, drückte sie sanft auf einen der Holzschemel und strich ihr über den Kopf.
    » Was hast denn, Liebes?«, murmelte sie und reichte ihr einen Becher mit heißem Pfefferminzsud, der eben noch über dem Feuer gebrodelt hatte.
    Wie heiße Galle rannen die Worte aus Magdalena heraus, bis sie der Hebamme ihr ganzes Leid gebeichtet hatte. Martha Stechlin nickte mitfühlend.
    »Die Männer sind so«, flüsterte sie leise. »Nie zufrieden mit dem, was sie haben. Aber irgendwann kommen sie immer wieder zurück. Mein Hans, Gott hab ihn selig ... « Ihre Stimme brach, verlegen strich sie sich über die Augen, als wollte sie dort eine Aschenflocke entfernen.
    » Was war mit deinem Mann?«, fragte Magdalena, froh um die Ablenkung von den eigenen Sorgen. »Du hast mir nie von ihm erzählt.«
    » Den Mädchen schöne Augen gemacht hat er«, sagte Martha Stechlin. »Nie war er zu Hause, immer in den Wirtshäusern, der Sauhund ... « Ein Lächeln spielte um ihre Lippen. »Aber geliebt hab ich ihn. Auch als wir keine Kinder bekamen und die Leut anfingen zu tratschen ... immer habenwir zusammengehalten. Da konnte auch so eine dahergelaufene Dirn nichts dran ändern.« Sie zwinkerte Magdalena zu.
    »Was ist aus ihm geworden?« Die Henkerstochter wischte sich die Tränen vom Gesicht und spürte, wie die Wärme des Kaminfeuers an ihren Beinen hochstieg. Die Augen der Hebamme starrten ins Leere.
    »Die Pest hat ihn geholt. Vor über zehn Wintern hab ich ihn begraben. Seitdem bin ich allein.«
    In der nun folgenden Stille war nur das Knistern des Herdfeuers zu hören. Magdalena biss sich auf die Lippen. Was hatte sie auch fragen müssen! Beschämt nippte sie an dem dampfenden Becher.
    Schließlich stand die Hebamme auf und ging zu den Regalen, die sich vom Herrgottswinkel über die ganze Wand bis hin zum Kamin zogen. »Sei’s drum«, sagte sie. »Das Leben geht weiter.« Ihr Blick glitt an den Tiegeln und Töpfen entlang, die aufgereiht in den Regalen standen. Die Tiegel leuchteten frisch lasiert, auf allen waren Zeichen angebracht, die auf ihren Inhalt hindeuteten. Die Hebamme öffnete ein paar von ihnen und schüttelte den Kopf.
    »Ich werd getrocknete Melisse brauchen«, murmelte sie. »Und Mutterkorn, wenn sonst nichts hilft.«
    »Was hast du vor?«, fragte Magdalena und trat neben sie. »Steht wieder eine schwierige Geburt an?«
    Seit einem halben Jahr war die Henkerstochter jetzt bei Martha Stechlin in der Lehre. Seitdem war Magdalena bei gerade mal fünf Geburten zugegen gewesen. Nur in schwierigen Fällen wurde die Hebamme tatsächlich gerufen. Oft gebaren die Frauen ohne fremde Hilfe, allein oder im Kreise der Familie, in der warmen Stube, im Stall und manchmal auch auf dem Feld. Wenn die Stechlin jetzt die Tiegel durchsah, musste also wieder ein Notfall eingetreten sein.
    »Die Frau vom Holzhofer ... «, begann Martha Stechlin. Magdalena sog laut die Luft ein.
    »Der Zweite Bürgermeister?«
    Die Hebamme suchte weiter in den Tiegeln. »Die Holzhoferin ist bereits überfällig. Wenn das Kind nächste Woche nicht da ist, werden wir ihr Mutterkorn geben müssen.«
    Magdalena nickte. Mutterkorn war ein Pilz, der auf Roggen und Hafer wuchs. Ein starkes Gift, das das berüchtigte Antoniusfeuer auslöste, in geringen Dosen allerdings wehenfördernd wirkte.
    »Und jetzt hast du keines mehr?«, fragte sie.
    Martha Stechlin war mittlerweile bei den hinteren Tiegeln angekommen.
    »Nicht nur kein Mutterkorn, sondern auch keine Melisse, kein Artemisia und keinen Sonnentau. Und dein Vater hat auch nichts mehr!« Sie seufzte. »Sieht so aus, als ob ich bei der Saukälte noch nach Augsburg müsste. Mutterkorn und Artemisia krieg ich im Winter nur dort in der Apotheke. Aber was hilft’s! Wenn seiner Frau was zustößt, macht mich der Holzhofer verantwortlich, und am Ende

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