Die Henkerstochter und der schwarze M�nch
treiben’s mich aus der Stadt raus oder zünden mir das Haus an …«
Plötzlich hatte die Henkerstochter eine Idee. Breit lächelte sie die Hebamme an. »Ich kann doch gehen«, sagte sie.
»Du?« Die Hebamme machte ein ungläubiges Gesicht, doch Magdalena nickte eifrig.
»Ich mag dem Simon zurzeit sowieso aus dem Weg gehen. Soll er doch sehen, wie er ohne mich zurechtkommt. Gleich mit dem nächsten Floß morgen früh fahr ich los.« Je mehr Magdalena darüber nachdachte, umso besser gefiel ihr die Idee. »Du schreibst mir einfach auf, was du haben willst und wo ich in Augsburg hingehen soll«, sprach sie schnell weiter. »Mein Vater braucht sicher auch noch ein paar Pillen und Kräuter. So erspar ich euch beiden die Reise.«
Die Hebamme sah sie nachdenklich an. Dann zuckte sie mit den Schultern.
»Warum nicht«, murmelte sie. »Schließlich willst du ja Hebamme werden. Da kann es nur gut sein, wenn du einmal eine Apotheke von innen siehst. Und Augsburg ... « Sielächelte Magdalena an. »Nun, die Stadt wird dich sicher ablenken. Pass bloß auf, dass du nicht überschnappst. So viel Leut hast du noch nie gesehen.« Sie klatschte in die Hände. »Aber jetzt an die Arbeit! Die Ringelblumenblätter gehören fein zermahlen und der Speck ausgelassen, die Kornbichlerin möchte heut Abend noch ihre Salbe haben!«
Magdalena lächelte und machte sich daran, die trockenen, duftenden Blätter in den Mörser zu schütten. Der Geruch von heißem Gänsefett drang in ihre Nase, das Geplapper der Stechlin klang wie rieselndes Wasser auf einem Mühlrad. Simon, ihr Vater und der tote Pfarrer waren plötzlich weit, weit weg.
Jakob Kuisl öffnete die Truhe und blickte in ein anderes Leben.
Der Kasten hatte lange Zeit oben im Speicher des Henkershauses gestanden, verborgen hinter Taurollen und zerbrochenen Fässern, wo ihn keiner sehen konnte. Nun hatte der Henker ihn nach unten in die Stube getragen und mit einem sorgfältig verwahrten Schlüssel geöffnet. Jakob Kuisl legte die zusammengefaltete, mottenzerfressene Landsertracht zur Seite und holte darunter den abmontierten Lauf der Luntenschlossmuskete heraus. Es folgten der polierte Griff mit den Intarsien, ein Beutel voll Bleikugeln und die Kette mit den hölzernen Pulverfässchen, in Söldnerkreisen auch als »Zwölf Apostel« bekannt. Der Henker zog den Säbel aus der Scheide und prüfte mit dem Daumen seine Schärfe. Nach all den Jahren war der Stahl immer noch genauso scharf und glänzend wie das Richtschwert, das seit Urzeiten neben dem Herrgottswinkel in seinem Haus hing.
Zuunterst in der Truhe lag ein Kästchen aus Kirschholz. Jakob Kuisl ließ den Verschluss zurückschnappen und öffnete es vorsichtig. Darin befanden sich zwei gutgeölte Radschlosspistolen. Der Henker strich über ihre polierten Griffe und kühlen, eisernen Spannhähne. Diese Pistolen hatten ihnein Vermögen gekostet. Doch Geld hatte damals keine Rolle gespielt. Man hatte es sich genommen, versoffen, mit vollen Händen ausgegeben. Kuisls Lider zuckten. Ein Schatten legte sich plötzlich über seine Erinnerung.
Zappelnde Beine in den Ästen einer Eiche. Das Flackern ferner Feuer. Das Weinen eines kleinen Mädchens, das aus schwarzen Ruinen zu ihm herüberdringt. Lachende Männer beim Würfelspiel, zwischen ihnen ein Berg von blutigen Kleidern und glitzerndem Tand... Eine verkohlte Kinderrassel…
Er war Rottführer gewesen, ein sogenannter Schwertspieler, der immer in der ersten Reihe kämpfte und den Zweihänder führte, so wie es ihn sein Vater gelehrt hatte. Er hatte den doppelten Sold bekommen, den größten Anteil an der Beute. Er war einer der Besten gewesen, der perfekte Mörder …
Eine verkohlte Kinderrassel.
Mit einem Kopfschütteln wischte der Henker die Vision beiseite. Er schloss das Kirschholzkästchen, bevor weitere Träume daraus hervorquollen.
Ein Quietschen der Tür ließ ihn herumfahren. Es war Magdalena, die mit hochrotem Kopf hereinstürmte. Gerade noch rechtzeitig, bevor der Torwächter die Stadttore geschlossen hatte, war sie von der Stechlin nach Hause geeilt. Jetzt brannte sie darauf, ihrem Vater die Neuigkeit zu berichten.
»Vater, ich muss für die Stechlin morgen früh nach Augsburg! Bitte, erlaub’s …«
Ein Blick auf die Truhe ließ sie innehalten.
»Was ist das?«
»Nichts, was dich was angeht«, brummte ihr Vater. »Aber wennst es schon wissen willst, Waffen sind’s. Morgen beginnt die Hatz auf die Räuber.«
Magdalena drehte sich um und sah nun den
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