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Die Henkerstochter und der schwarze M�nch

Titel: Die Henkerstochter und der schwarze M�nch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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aufgetaucht. Der Schreiber sah aus, als wäre er bereits seit Stunden wach. Haare und Bart frisiert, Rock und Mantel akkurat geknöpft, den stechenden Blick befehlsgewohnt auf die Männer gerichtet.
    »Man hat im Wald kurz hinter Lechbruck ein paar Tote gefunden«, fuhr er fort. »Den Augsburger Händler Leonhard Weyer und seine Knechte. Erst gestern Morgen sind sievon Schongau aus aufgebrochen!« Er hob die Stimme an und ließ seine Augen prüfend über die mit Sensen, Dreschflegeln und verrosteten Musketen bewaffneten Männer schweifen. »Das nächste Mal ist es vielleicht einer von uns, den sie ausrauben und massakrieren. Bürger dieser Stadt, es wird endlich Zeit, dass wir dieser Bande das Handwerk legen!«
    Ein Raunen ging durch die Menge. Von da und dort waren Flüche zu hören.
    »Ruhe bitte!« Der Schreiber klatschte in die Hände, und sofort kehrte wieder Stille ein.
    »Der Kuisl war als Söldner im Großen Krieg.« Johann Lechner deutete auf den Henker, der in voller Montur mit Säbel, Gewehr und Pistolen in der Mitte der Gruppe stand. »Ein fähiger und geschickter Rottführer, wie ich mir habe sagen lassen. Er hat also Erfahrung mit solchem Pack. Und er kann von Euch allen am besten mit Waffen umgehen. Ich möchte, dass Ihr seinen Befehlen gehorcht. Es ist zu unser aller Wohl.«
    »Und wenn wir nicht wollen, hä?« Es war Hans Berchtholdt, der Sohn des Bäckers, der sich nun breitbeinig vor den Schreiber stellte. »Mein Vater meint, Ihr könnt uns gar nichts vorschreiben. Das ist immer noch eine freie Stadt! Ein Berchtholdt lässt sich nicht von einem räudigen Schinder herumkommandieren!«
    Ein leises Zischen war zu hören, als Jakob Kuisl seinen Säbel aus der Scheide zog. Seine Faust ballte sich um den Griff.
    »Dein Vater ist ein alter Trottel.« Die Stimme war von rechts gekommen, aus dem Morgennebel tauchte die Gestalt Jakob Schreevogls auf. Der Patrizier nickte dem Schreiber und Jakob Kuisl zu. »Ihr gestattet, dass ich mich anschließe.« Der junge Ratsherr steckte seine gutgeölte Pistole zurück in den Gürtel und stellte sich neben den Henker.
    »Es freut mich, dass wir einen weiteren Mitstreiter gefundenhaben«, sagte Johann Lechner lächelnd. »Und nun zu Eurer Frage ...« Er blickte Hans Berchtholdt mit seinen stechenden Augen an, so dass dieser eingeschüchtert zurückwich.
    »Der Überfall auf den Augsburger Händler ist feiger Mord und damit nicht mehr Sache der Stadt, sondern des Kurfürsten«, fuhr Lechner beiläufig fort. »Der Stellvertreter des Kurfürsten in Schongau bin nun mal ich. Und ich befehle, dass der Henker diesen Tross anführt. Wollt Ihr diesen Fall mit mir vor dem Münchner Hofgericht ausdiskutieren?«
    Hans Berchtholdt war zurück ins Glied getreten. Die beiden anderen Patriziersöhne schauten verzweifelt in eine andere Richtung.
    »Nein ... natürlich nicht. Ich...«, stammelte Berchthold.
    »Gut, dann können wir ja endlich fortfahren.« Der Schreiber wandte sich Jakob Kuisl zu. »Der Henker wird Euch erklären, wie wir vorgehen.«
    Jakob Kuisl grinste. Man konnte von Lechner halten, was man wollte, seine Stadt hatte er jedenfalls im Griff. Grimmig rammte der Scharfrichter den Säbel zurück in die Scheide und blickte einem Mann nach dem anderen ins Gesicht. Dann erläuterte er in kurzen knappen Worten seinen Schlachtplan.
     
    Krachend schlug Simon die Tür hinter sich zu und machte sich auf zur Peitinger Schlossruine, während sein Vater hinter ihm noch immer schimpfte und zeterte. Es war kurz vor acht Uhr morgens, in den Gassen Schongaus waren bereits die ersten Bauern und Handwerker mit ihren Karren unterwegs.
    Bonifaz Fronwieser hatte vergeblich darauf bestanden, dass sein Sohn zu Hause blieb, um ihm bei den anfallenden Behandlungen zu helfen. Noch gestern Nacht waren zwei weitere Schongauer zum Haus des Medicus gekommen und hatten über Husten und Schüttelfrost geklagt. Der alte Arzthatte ihnen einen Saft aus Lindenblütenextrakt aufgeschwatzt und ansonsten für viel Geld ihren Urin beäugt. Dann hatte er sie unter gutem Zureden nach Hause geschickt. Simon war froh, dass er dieses Treiben heute nicht mitansehen musste. Sie waren so machtlos! Die Menschen starben wie die Fliegen, und den Doktoren hierzulande fiel nichts Besseres ein, als die Kranken zur Ader zu lassen und ihnen Klistiere zu verabreichen. In Paris, London oder dem niederländischen Leiden waren die Gelehrten schon weiter; in diesen Städten gab es sogar renommierte Professoren, die behaupteten,

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