Die Henkerstochter und der schwarze M�nch
überzeugt.« Plötzlich sah er sie nachdenklich an.
»Dass du so plötzlich gehst, hat aber nichts mit dem Simon zu tun?«
Magdalena schnitt eine Grimasse. »Der Simon ist mir wurscht, der soll ruhig einmal ohne mich auskommen.«
Jakob Kuisl wandte sich wieder der Arzneienliste zu. »Na, wennst meinst. So bist wenigstens weg von Mord und Totschlag.« Sein Gesicht verdüsterte sich. »Nicht dass du am Ende auch noch in diese Sach reingezogen wirst. Ich spür ganz deutlich, das ist noch nicht ausgestanden.«
Magdalena rückte näher an ihn heran. »Weißt du denn jetzt, wer die Männer gewesen sein könnten, die dir in der Kirche aufgelauert haben?«
Der Henker schüttelte den Kopf. »Ich krieg’s schon noch raus. Und dann gnade ihnen Gott.« Die Kerze warf huschende Schatten über sein Gesicht. In solchen Momentenfürchtete sich Magdalena vor ihrem Vater. So, dachte sie, sieht er aus, wenn er einem die Schlinge um den Hals legt oder mit dem Rad jeden Knochen einzeln bricht.
»Ich weiß jetzt, dass zumindest einer der Männer den Koppmeyer vor seinem Tod besucht hat«, sagte sie schließlich. Sie erzählte von ihrer Begegnung mit der Schwarzfärberin und von dem merkwürdigen goldenen Kreuz, das die Frau am Hals des Fremden gesehen hatte. Als sie mit ihrem Bericht am Ende war, schüttelte ihr Vater den Kopf.
»Templer, lateinische Verse, ein goldenes Kreuz mit zwei Querbalken ... Die Sache wird immer verworrener!« Er schlug mit der Hand auf den Tisch, so dass die Seiten der Bücher aufflatterten. »Der Simon geht jedenfalls morgen früh auf den Peitinger Schlossberg und schaut nach, ob er bei der alten Ruine einen Hinweis findet. Vielleicht wissen wir dann mehr über diesen verfluchten Templer , der uns alle zum Narren hält, oder auch über unsere Verfolger.«
Einen Augenblick lang war Magdalena versucht, ihre Pläne zu überdenken. Was, wenn Simon tatsächlich oben bei der alten Schlossruine einen Schatz fand? Oder wenn ihm dort die Fremden auflauerten? Brauchte er dann nicht ihre Hilfe? Aber dann dachte sie an die Floßfahrt, die große Stadt, die fremden Gerüche und Gesichter. Sie wollte fort, auch fort von Simon.
Sie küsste ihren Vater auf die Stirn und ging die Treppe nach oben, wo ihre Mutter und die Zwillinge bereits schliefen.
»Pass gut auf dich auf, Vater«, flüsterte sie. »Auf dich und den Simon.« Dann verschwand sie in der Schlafkammer.
Jakob Kuisl beugte sich im flackernden Licht des Kienspans wieder über die aufgeschlagenen Bücher. Tollkirsche, Nachtschatten, Eisenhut ... Sein Finger folgte unzähligen Zeichnungen von Giftpflanzen, doch keine war in ihrer Wirkung so wie das Gift, das ihn in der Krypta steif wie einen Toten hatte werden lassen. Dieses Mittel musste von sehr weitweg kommen, aus einem fernen Land, so viel war sicher. Nur, wie waren die Männer an ein solches Gift gekommen? Stammten sie selbst aus dieser fernen Gegend? Waren es Wandermönche aus einem entfernten Kloster? Einer von ihnen hatte einen merkwürdigen Dialekt gesprochen.
Und Latein.
Plötzlich fiel ihm der merkwürdige Satz wieder ein, den er in der Krypta belauscht hatte.
Deus lo vult... Gott will es …
Seufzend schlug Jakob Kuisl das Buch zu und fing an, die Muskete zu reinigen. Er würde morgen für die Hatz früh aufstehen müssen. Der Schreiber Johann Lechner hatte die Bürger schon zum Sechsuhrläuten auf den Marktplatz bestellt. Sollte sich doch der junge Fronwieser mit Templern, Rätseln und Meuchlern herumschlagen, Jakob Kuisl würde Räuber jagen. Das war etwas, was der Henker besser konnte als jeder andere.
Leonhard Weyer fluchte und zog die Peitsche über den Nacken des Pferdes. Der Schimmel stellte sich wiehernd auf die Hinterhufe und sackte dann wieder in den tiefen Schnee. Es dämmerte bereits, Schneeflocken fielen in dichten Schwaden, so dass der Augsburger Händler immer wieder die Augen schließen musste.
Sie waren zu spät dran! Zwar waren sie in aller Herrgottsfrüh von Schongau aufgebrochen, doch schon mittags hätte ihnen klar sein müssen, dass sie es nie bis Einbruch der Dunkelheit nach Füssen schaffen würden. Weyer hatte sich für die alte Straße durch den Wald entschieden. Sie war zwar länger, aber dafür auch kaum befahren, besonders nicht jetzt in der Winterzeit. Wegelagerer lauerten eher an der breiten Heerstraße, die den Lech entlangführte. Der Augsburger Tuchhändler war sich sicher, dass sich kein Bandit tagelang den Arsch abfror, um dann vielleicht irgendwann
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