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Die Henkerstochter und der schwarze M�nch

Titel: Die Henkerstochter und der schwarze M�nch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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auf einen einsamen Bauern mit seinem Winterfutter zu treffen. Außerdemhatte Weyer nur dem engsten Kreis seiner Augsburger und Schongauer Kollegen verraten, dass er diese Straße nehmen würde, und war anders als sonst nur mit einem einfachen Karren unterwegs. Sogar die angenehm gefederte Kutsche hatte er in Augsburg gelassen! Wer sollte da schon Verdacht schöpfen? Weyer fühlte sich sicher, aber das änderte nichts daran, dass die Nacht hereinbrach und sie noch immer nicht in einem Dorf angelangt waren.
    Gegen Nachmittag war das Schneetreiben immer dichter geworden, in teils meterhohen Schneewehen waren die vier Knechte mit dem Fuhrwerk kaum noch vorangekommen. Jetzt in der Dämmerung sah man gerade noch die Hand vor Augen, rechts und links des Wegs ragten dichte Tannen wie schwarze Finger in den Himmel. Schnaufend zogen die beiden Packpferde den Karren durch den kniehohen Schnee. Immer wieder blieben die Räder im Morast und in halbgefrorenen Pfützen stecken, so dass die Knechte absteigen und anschieben mussten. Sie hieben mit Peitschen auf die müden Haflinger ein, doch selbst heftigste Schläge brachten sie nicht dazu, schneller zu ziehen. Gerade war der Karren erneut in eine Schneewehe geraten; zwei Knechte schaufelten fluchend den Weg frei, während die beiden anderen von hinten den vollgepackten Karren schoben.
    »Verdammt, geht das nicht schneller? In einer Stunde ist es hier finster!«
    Der Grauschimmel des Händlers tänzelte nervös auf der Stelle. Weyer rieb pustend die kalten Hände aneinander, die in Fäustlingen aus Nerzfell steckten. Auf seinem Haupt thronte eine schneebedeckte Kappe aus Bärenpelz, und auch der knielange Mantel war aus seidig glänzendem Fell gefertigt. Trotzdem fror Leonhard Weyer wie ein Schneider, sein Atem verdampfte vor seinem Mund zu weißen Wolken, auf den Augenbrauen und im gestutzten Kinnbart hatte sich Raureif festgesetzt.
    Ängstlich blickte der Händler sich um. Gleich hinter denTannen am Wegesrand hing die Dunkelheit wie ein schwarzes Tuch, die Dämmerung kroch langsam auf die kleine Gruppe zu. Zum wiederholten Mal fluchte Leonhard Weyer und schimpfte auf die Knechte ein, die müde den Karren durch den Schnee schoben. Es war bestimmt noch eine halbe Stunde bis zur nächsten Ortschaft! Sein Vorhaben, es heute nach Füssen zu schaffen, hatte der Händler bereits aufgegeben. Er wäre froh, wenn er sicher eine billige Dorfherberge erreichte. Dabei war der Plan perfekt gewesen! Wegen der Räuberbande wagte zurzeit kein anderer großer Augsburger Händler, die sicheren Stadtmauern alleine zu verlassen. Wenn überhaupt, zog man im Tross los, bewacht von sündhaft teuren Söldnern. Nur Weyer hatte sich via Schongau vor allen anderen auf den Weg gemacht – und würde so nach Gutdünken die Preise diktieren können. Wenn er jemals in Füssen ankam ... Nervös tastete der Händler nach der geladenen Faustbüchse, die unter seinem Mantel am Gürtel hing. Vier seiner stärksten Männer hatte er mitgenommen, alle waren mit Säbeln und Knüppeln ausgerüstet, der Kutscher hielt sogar eine Armbrust in den Händen. Aber ob dies alles ausreichte, eine gierige, hungrige Räuberbande aufzuhalten? Weyer schüttelte den Kopf. Ach was! Was sollten Marodeure auf einer so einsamen Landstraße verloren haben? Keiner wusste, dass er hier mit einer besonders wertvollen Ladung unterwegs war.
    »Zieh schon, verdammte Mähre!«
    Joseph, der erste Knecht, drosch mit dem Prügel auf einen der Haflinger ein, so dass dieser nach vorne sprang und der Karren einen Satz machte. Endlich rollte das Rad über die Schneewehe hinweg, die Fahrt konnte weitergehen.
    Auf dem Weg vor ihnen tat sich eine ausgefahrene Wagenspur auf, die nur leicht von Schnee bedeckt war. Leonhard Weyer lächelte. Sie würden es schaffen. Vor allen anderen würde er in Füssen mit Tuch handeln! Der Gewinn würde beträchtlich sein. Vielleicht konnte er sich nach diesemGeschäft endlich zur Ruhe setzen und alles Weitere seinen Söhnen überlassen. Ein warmer Herd, ein guter Trunk, ein fetter Kapaun, was brauchte der Mensch schon mehr?
    Das Geräusch kam von rechts, ein leises Knacken in den vereisten Zweigen. Leonhard Weyer kniff die Augen zusammen und sah in die Schwärze der Bäume vor ihm. Doch da war nichts außer Tannendickicht. Auch die Knechte hatten etwas gehört. Sie flüsterten und blickten sich vorsichtig nach allen Seiten um. Irgendetwas lauerte dort draußen. Jetzt ertönte ein Pfiff, ganz nah neben Leonhard Weyers Ohr.

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