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Die Henkerstochter

Titel: Die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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sie die Männer lachen. Sie schienen zu würfeln und zu trinken, aber Magdalena konnte nicht verstehen, worüber sie sich unterhielten. Sie fluchte innerlich. Das Versteck hier oben war gut gewählt. Selbst wenn in den nächsten Stunden der kurfürstliche Stellvertreter mit seinen Soldaten nach Schongau kommen sollte, hatten die Söldner hier oben nichts zu befürchten. Der Galgenbichl galt als verfluchter Ort. Seit Urzeiten wurde hier oben bereits gehängt. Hier spukten die Seelen der Gehängten; der Boden war getränkt mit ihren Knochen. Wer nicht unbedingt hinaufmusste, mied den Berg.
    Und auch wenn er von weit her gut zu sehen war, gab er ein perfektes Versteck ab. Wer sich nur ein paar Meter weiter unten im Gehölz verbarg, konnte sicher sein, dass ihn so schnell keiner fand.
    Magdalena rieb ihre Hände aneinander und versuchte so, die Seile zu lockern. Wie lange machte sie das schon? Eine Stunde? Zwei Stunden? Die ersten Vögel zwitscherten bereits. Es ging also auf den Morgen zu. Doch wie spät war es genau? Sie hatte jegliches Gefühl für Zeit verloren.
    Allmählich merkte sie, dass die Seile nicht mehr ganz so fest einschnürten, sie wurden lockerer. Vorsichtig schob sie sich ein wenig zur Seite, bis sie unter sich einen scharfkantigen Stein spürte. Schmerzhaft drückte er gegen ihre Rippen. Sie verlagerte ihren Körper, bis der Stein direkt unter ihren Handgelenken lag, und fing an zu reiben. Nach einer Weile spürte sie, wie sich die Fasern des Hanfseiles lösten. Wenn sie nur lange und fest genug rieb, würde sie ihre Hände freibekommen.
    Und dann?
    Wegen der Augenbinde hatte sie die zwei Söldner zwar noch nicht sehen können, aber alleine durch das Tragen hatte sie gemerkt, dass es sich wenigstens bei dem einen von ihnen um einen kräftigen Mann handeln musste. Außerdem besaßen sie bestimmt Waffen und waren schnell. Wie sollte sie ihnen entkommen?
    Als sie das Seil fast durchtrennt hatte, hörte sie, wie die Stimmen plötzlich verstummten. Schritte näherten sich. Sofort stellte sie sich wieder ohnmächtig. Die Schritte kamen neben ihr zum Stehen und ein Schwall kalten Wassers ergoss sich über ihr Gesicht. Sie prustete und schnappte nach Luft.
    »Ich hab dich gewonnen, Mädchen. Beim Würfeln ...«, ertönte eine tiefe Stimme über ihr und jemand trat ihr in dieSeite. »Komm, wach auf und lass uns ein wenig Spaß haben. Wenn du lieb bist, dann lassen wir dich vielleicht laufen, bevor der Braunschweiger kommt. Aber vorher musst du natürlich auch den Christoph noch lieb haben ...«
    »Mach schon, Hans«, rief die zweite Stimme von weiter weg. Sie klang schwer und lallend. »Es wird bald Tag, und der Dreckskerl kann jeden Moment hier auftauchen. Dann ziehen wir ihm eins über und machen uns davon!«
    »Genau, Mädchen«, sagte Hans, der sich mittlerweile zu ihr hinuntergebeugt hatte und ihr ins Ohr flüsterte. Es roch nach Branntwein und Rauch. Magdalena merkte, dass er schwer betrunken war. »Heute ist nämlich dein Glückstag. Wir werden dem Braunschweiger den Garaus machen, diesem Blutsäufer. Dann kann er dich nicht mehr in Scheiben schneiden. Und dann verschwinden wir mit dem Schatz. Aber vorher werden wir’s dir noch einmal so richtig besorgen. Das wird etwas anderes sein, als wenn dein knochiger Medicus dich ableckt ... «
    Er fuhr mit seiner Hand unter ihren Rock.
    Im selben Moment hatte Magdalena die letzten Hanffasern gelöst. Ohne weiter nachzudenken, riss sie ihr rechtes Knie nach oben und rammte es dem Söldner in den Unterleib. Mit einem erstickten Schmerzensschrei ging er zu Boden.
    »Verruchte Henkersdirn ...«
    Sie riss sich den Knebel und die Augenbinde vom Gesicht. Die Morgendämmerung hatte bereits eingesetzt. Noch herrschte zwar die Nacht vor, doch im Hochnebel sah sie die Gestalt des Söldners als grauen Klumpen vor sich auf dem Boden liegen. Magdalena rieb sich die Augen. Sie hatte so lange die Binde getragen, dass ihre Augen sich jetzt nur langsam an die matte Helligkeit gewöhnten. Wie ein gehetztes Tier sah sie sich schließlich um.
    Über ihr thronte der Galgenbichl. Sie sah die Überreste des Brandner Georgs im Wind hin und her baumeln. Ungefähr zwanzig Schritte von ihr entfernt glimmte ein kleines Feuer im Gehölz. Von dort erhob sich nun eine Gestalt und kam auf sie zugelaufen. Der Söldner wankte ein wenig, näherte sich aber doch mit bedrohlicher Geschwindigkeit.
    »Hans, wart! Das Aas hol ich mir! «
    Gerade wollte sie loslaufen, da spürte sie einen Schlag auf dem

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