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Die Henkerstochter

Titel: Die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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über den felsigen Boden und riss auf, sodass die Schultern frei lagen.
    Auf dem rechten Schulterblatt prangte das Zeichen. Simon sah zum ersten Mal von oben darauf.
     
     
     
    Simon erfasste ein Schwindel. Rauch und Angst waren plötzlich ganz weit weg. Er sah nur das Zeichen vor sich. Vor seinem inneren Auge tauchten sämtliche alchimistischen Zeichen auf, die er während seines Studiums kennen gelernt hatte.
    Wasser, Erde, Luft, Feuer, Kupfer, Blei, Ammoniak, Asche, Gold, Silber, Kobalt, Zinn, Magnesia, Quecksilber, Salmiak, Salpeter, Salz, Schwefel, Bezoarstein, Vitriol, Haematit …
    Haematit. Konnte es so einfach sein? Hatten sie sich einfach in eine Idee verrannt, ohne nach anderen Möglichkeiten Ausschau zu halten? War alles nur ein großes Missverständnis?
    Er hatte keine Zeit mehr weiter nachzudenken. Über sich hörte er ein bedrohliches Knirschen. Staub rieselte auf ihn herab. Schnell fasste er Clara bei den Schultern und zog sie vollständig zu sich herüber.
    »Schnell, Sophie!«, brüllte er in das Loch, aus dem jetzt immer dichtere Rauchschwaden drangen. »Der Gang stürzt ein! «
    Sophies Kopf tauchte nur wenig später in der Öffnung auf. Kurz überkam Simon die Versuchung, auch bei ihr einen Blick auf die Schulter zu werfen. Doch als ein großer Stein direkt neben ihm auf den Boden polterte, besann er sich eines Besseren. Er half Sophie durch das Loch. Als das Mädchen sich alleine aufrichten konnte, schulterte er die ohnmächtige Clara und eilte gebückt den Gang voran.
    Als er sich noch einmal umblickte, sah er im Schein derLaterne, dass Rauchschwaden den Gang füllten. Dann stürzte die Decke ein.
     
    Jakob Kuisl zog sich in den Schacht, der nach oben führte, und kämpfte gegen den Rauch an. Er hielt die Augen geschlossen. Zum einen konnte er in der Dunkelheit sowieso nichts sehen, zum anderen biss ihm der Rauch so nicht in die Augen. Wenn er sie gelegentlich zu Schlitzen öffnete, sah er dort, wo der Schacht endete, ein leichtes Glühen über sich. Die Schwaden ließen ihm kaum Luft zum Atmen. Er stemmte sich den steilen Gang hoch, indem er sich mit seinen massigen Armen Stück für Stück vorarbeitete. Endlich spürte er die Ränder des Tunnels. Mit einem keuchenden Aufschrei hievte er sich in die Kammer, rollte sich ab und öffnete die Augen.
    Blinzelnd erkannte Jakob Kuisl ein gerade mal kniehohes Loch zu seiner Rechten und einen weiteren Schacht, der in Brusthöhe weiter nach oben führte. Durch diesen Schacht war er vorher nach dem Kampf mit dem Teufel nach unten gerutscht. Von dort oben schien das Feuer zu kommen. Doch auch hier in der Kammer hingen mittlerweile gewaltige Rauchschwaden.
    Jakob Kuisls Augen fingen wieder an zu tränen. Er wischte sich mit seinen rußigen Fingern übers Gesicht. Gerade wollte er den kleinen Gang zu seiner Rechten inspizieren, als er von oben ein Geräusch hörte.
    Ein leises Schaben.
    Etwas rutschte langsam den Schacht hinunter. Er glaubte, hektisches Atmen zu hören.
    Der Henker stellte sich an die Seite des Schachtes und hob seinen Knüppel aus Lärchenholz. Das Schaben kam näher, das rutschende Geräusch wurde lauter und lauter. Im flackernden Schein des Feuers glitt etwas aus demSchacht und flog an ihm vorbei. Mit einem Aufschrei sprang Jakob Kuisl darauf zu und ließ seinen Knüppel hinabfahren.
    Viel zu spät erkannte er, dass es nur ein Teil der morschen Leiter war.
    Im gleichen Moment hörte er hinter sich ein zischendes Geräusch. Er duckte sich zur Seite, doch die Klinge fuhr durch den Mantelärmel und hieb in seinen linken Unterarm. Ein dumpfer Schmerz durchzuckte ihn. Er ließ sich zu Boden fallen und spürte, dass etwas wie ein großer Vogel über ihn hinwegsegelte.
    Als der Henker sich wieder aufrichtete, sah er mit tränenverklebten Augen einen gewaltigen Schatten auf der gegenüberliegenden Wand der Kammer tanzen. Das Feuer ließ die Gestalt des Teufels zur doppelten Größe anschwellen, so dass sich sein Oberkörper über die Decke hinweg ausbreitete. Mit langen Fingern schien er nach dem Henker zu greifen.
    Jakob Kuisl zwinkerte, bis er schließlich im Zentrum des Schattens den Söldner selbst stehen sah. Der Rauch war jetzt so stark, dass er den Teufel nur verschwommen wahrnehmen konnte. Erst als dieser seine Fackel in Kopfhöhe hob, erkannte er mehr.
    Das Gesicht seines Feindes war rot von Blut, das ihm in Bahnen über die Stirn lief. Die glitzernden Augen schienen das Licht seiner Fackel zu reflektieren, seine Zähne leuchteten

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