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Die Henkerstochter

Titel: Die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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ein Bild von der Lage gemacht habe. Morgen allerdings ... « Er blickte zum sternenklaren Himmel hinauf. »Morgen möchte ich zunächst auf die Jagd gehen. Das Wetter verspricht gut zu werden. Der Hexe widme ich mich erst später.«
    Der Graf schmunzelte.
    »Sie wird ja bis dahin nicht wegfliegen, oder?«
    Beflissen schüttelte Bürgermeister Semer den Kopf. Johann Lechner wurde weiß im Gesicht. Schnell rechnete er die Ausgaben der Stadt durch, falls der Graf wirklich erst auf den Permiss aus München wartete. Die Soldaten würden gut und gern einen Monat bleiben, vielleicht länger … Das bedeutete einen Monat lang Kost und Logis, aberauch Befragungen, Verdächtigungen, Bespitzelungen! Dann blieb es sicher nicht bei einer Hexe …
    »Euer Exzellenz ...«, begann er. Doch Graf Sandizell hatte sich bereits seinen Soldaten zugewandt.
    »Sattelt ab!«, rief er. »Und dann amüsiert euch! Wir werden heute ein Fest feiern. Lasst uns den Sommer begrüßen. Ich sehe, dass bereits die Feuer brennen. Wollen wir hoffen, dass in ein paar Wochen hier ein viel größeres Feuer brennt und der Spuk in dieser Stadt endlich ein Ende hat!«
    Er klatschte in die Hände und blickte hoch zur Bühne. »Musikanten, spielt!«
    Die Spielleute zupften nervös einen Landler. Zuerst zögerlich, dann immer schneller fanden sich die ersten Paare zum Tanzen ein. Das Fest begann. Hexe, Zauberei und Morde waren bis auf weiteres vergessen. Aber Johann Lechner wusste, dass all dies schon in einigen Tagen die Stadt in den Untergang treiben würde.
     
    Der Henker kniete vor Martha Stechlin und wechselte den Verband auf ihrer Stirn aus. Die Schwellung war zurückgegangen. Trotzdem zeichnete sich dort, wo sie der Stein von Georg Riegg getroffen hatte, eine hässliche blaurote Beule ab. Doch das Fieber schien nachgelassen zu haben. Jakob Kuisl nickte zufrieden. Der Tee aus Lindenblüten, Wacholder und Holunder, den er ihr heute Vormittag verabreicht hatte, schien zu helfen.
    »Kannst mich hören, Martha?«, flüsterte er und streichelte ihr über die Wange. Sie öffnete die Augen und sah ihn mit stierem Blick an. Hände und Füße waren von der Folter ballonhaft aufgeschwollen; getrocknetes Blut klebte überall an ihrem Körper, den eine fleckige Wolldecke nur notdürftig verhüllte.
    »Die Kinder sind ... unschuldig«, krächzte sie. »Ich weiß jetzt, wie’s war. Sie haben ... «
    »Pssst«, sagte der Henker und legte ihr den Finger auf die trockenen Lippen. »Sollst nicht so viel reden, Martha. Wir wissen’s eh. «
    Die Hebamme blickte erstaunt.
    »Dass sie das Zeichen bei mir abgeschaut haben?« Jakob Kuisl brummte zustimmend. Die Hebamme richtete sich auf ihrem Lager auf.
    »Die Sophie und der Peter, die haben sich immer für meine Kräuter interessiert. Besonders die Zauberdinge, die wollten’s wissen. Ich hab der Sophie einmal die Alraune gezeigt, aber mehr nicht! Ich schwör’s bei Gott! Ich weiß doch, was passieren kann. Wie schnell sich das rumspricht. Aber die Sophie hat keine Ruhe gegeben. Und da hat sie sich wohl die Zeichen auf den Tiegeln genauer angeschaut ... «
    »Der Blutstein. Ich weiß ... «, unterbrach sie der Henker.
    »Aber der ist doch ganz harmlos«, fing die Stechlin nun zu schluchzen an. »Ich geb das Rötelpulver den Frauen, wenn sie unten bluten, gelöst in Wein, nichts Schlimmes, bei Gott ...«
    »Ich weiß, Martha, ich weiß.«
    »Die Kinder haben sich das Zeichen selbst draufgemalt! Und mit den Morden, bei der Heiligen Jungfrau Maria, ich hab damit nichts zu tun! «
    Ihr Körper schüttelte sich, als sie in Weinkrämpfe ausbrach.
    »Martha«, versuchte Jakob Kuisl sie zu beruhigen.
    »Hör zu. Wir wissen, wer die Kinderlein totgemacht hat. Wir wissen nur nicht, wer dem Mörder den Auftrag gab. Aber ich find’s heraus, und dann hol ich dich hier raus.«
    »Aber die Schmerzen, die Angst, ich halt das nicht mehraus«, schluchzte sie. »Du wirst mir wieder wehtun müssen!«
    Der Henker schüttelte den Kopf.
    »Grad eben ist der Landgraf gekommen«, sagte er. »Er will auf einen Permiss aus München warten, bevor sie dich weiter befragen. Das wird dauern. Bis dahin bist du sicher.«
    »Und dann?«, fragte Martha Stechlin.
    Der Henker schwieg. Beinahe hilflos streichelte er ihr über die Schulter, bevor er nach draußen ging. Er wusste, dass das Todesurteil nur noch eine Formalität war, wenn nicht noch ein Wunder geschah. Selbst wenn sie den Auftraggeber herausfanden, war das Schicksal der Hebamme besiegelt. Martha

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