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Die Henkerstochter

Titel: Die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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das kann er. Und er wird’s tun, wenn du keine Ruh gibst. Du und der Henker. Setz doch dein Leben nicht aufs Spiel, nur wegen so einer Hex.«
    Sein Vater legte ihm eine kalte, steife Hand auf die Schulter. Simon wich zurück.
    »Die Stechlin ist keine Hex«, flüsterte er.
    »Und wenn schon«, sagte sein Vater. »Aber der Lechner will’s so, und es ist auch besser für die Stadt. Außerdem ... «
    Bonifaz Fronwieser grinste, während er Simon väterlich auf die Schulter klopfte.
    »Mit dem Henker, der Hebamme und uns sind’s sowieso zu viele hier im Ort, die vom Kurieren leben wollen. Wenn die Stechlin nicht mehr ist, gibt’s für uns mehr zu tun. Dann haben wir ein Auskommen, dann kannst du bei den Geburten helfen, das überlass ich ganz dir. «
    Simon sprang auf. Der Becher fiel vom Tisch in die Herdglut, Kaffee ergoss sich zischend in die Asche.
    »Das ist alles, was dich interessiert, dein Auskommen!«, rief er. Dann eilte er zur Tür. Sein Vater richtete sich auf.
    »Simon, ich ... «
    »Seid ihr alle blöd, oder was? Seht ihr nicht, dass ein Mörder da draußen umgeht? Ihr denkt nur an euren Bauch, und da draußen bringt einer die Kinder um! «
    Simon schlug die Tür zu und rannte hinaus auf die Straße. Nachbarn blickten, vom Geschrei aufgeschreckt, neugierig aus den Fenstern.
    Simon schaute wütend nach oben.
    »Kümmert’s euch nur um euren eigenen Kram!«, schrie er. »Ihr werdet schon sehen. Wenn die Stechlin Asche ist, dann geht’s erst richtig los. Und dann brennt die Nächste, und noch jemand, und noch jemand! Und irgendwann seid ihr selber dran!«
    Kopfschüttelnd stapfte er hinunter zum Gerberviertel. Die Nachbarn sahen ihm nach. Es stimmte schon, was man sagte: Seit der Sohn vom Fronwieser mit der Henkerstochter anbandelte, war er nicht mehr derselbe. Wahrscheinlich hatte sie ihn verhext, ihm zumindest den Kopf verdreht, was ja eigentlich das Gleiche war. Vielleicht mussten in Schongau wirklich noch mehr Menschen brennen, bis endlich Ruhe war.
    Die Nachbarn schlossen die Fensterläden und wandten sich wieder ihrer morgendlichen Hafergrütze zu.
     
    Jakob Kuisl ging mit schnellen Schritten den schmalen Weg von seinem Haus hinunter zum Ufer. Nach wenigen Minuten, stromaufwärts den Treidelpfad entlang, war er an der Lechbrücke.
    Noch immer lagen Rauchschwaden über dem abgebrannten Stadl, an manchen Stellen glimmte es. Der zweite Brückenwärter Sebastian saß an seine Hellebarde gelehnt auf einem Brückenpfeiler. Als er den Henker sah, grüßte er mit einem müden Nicken. Der kleine, gedrungene Wachmann hatte an kalten Tagen immer einen Krug unter dem Mantel. Am heutigen Morgen hatte Sebastian den Trunk besonders nötig. Da sein Kollege zurzeit im Kerker einsaß, musste er für zwei Wache schieben. Dienächste Wachablösung würde erst in einer Stunde kommen, und er hatte bereits die ganze Nacht hier gestanden. Außerdem konnte er schwören, dass der Teufel selbst in der Nacht nur ganz knapp an ihm vorbeigehuscht war. Ein schwarzer Schatten, gekrümmt und hinkend.
    »Und er hat zu mir hergewunken, ganz deutlich hab ich’s gesehen«, flüsterte Sebastian dem Henker zu und küsste das kleine, silberne Kruzifix, das an einer Lederschnur um seinen Hals hing. »Gnade uns, heilige Maria, seit die Stechlin hier ihr Unwesen treibt, sind die Höllengeister unterwegs, das sag ich dir! «
    Jakob Kuisl hörte aufmerksam zu. Dann passierte er mit einem abschließenden Gruß die Brücke Richtung Peiting.
    Eine schlammige Landstraße wand sich durch die Wälder. Oft musste er Pfützen und Schlaglöchern ausweichen, die nach dem harten Winter besonders tief schienen. An manchen Stellen war die Straße kaum befahrbar. Nach einer halben Meile kam er an einem Ochsenwagen vorbei, der im Dreck stecken geblieben war. Der Bauer aus Peiting schob mühsam am hinteren Ende, bekam das Rad aber nicht frei. Kuisl blieb stehen und stemmte, ohne sich um die Blicke des anderen zu kümmern, seinen massigen Körper gegen das Gefährt. Ein kurzes Rucken, dann war der Karren wieder frei.
    Anstatt sich zu bedanken, murmelte der Bauer ein Gebet, tunlichst darauf bedacht, dem Henker nicht in die Augen zu blicken. Dann eilte er nach vorne, sprang wieder auf den Kutschbock und schwang den Ochsenziemer. Fluchend warf ihm Kuisl einen Stein hinterher.
    »Schleich dich, depperter Peitinger! «, rief er. »Oder ich knüpf dich an deiner Peitsche auf! «
    Der Henker war es gewohnt, dass ihm viele Menschenaus dem Weg gingen, aber immer

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