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Die Henkerstochter

Titel: Die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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hochzuziehen. »Sie haben gutes Geld bekommen!«
    »Verlass dich drauf, das wird erledigt. Vielleicht schon heute.« Er drückte die Klinke hinunter und wandte sich nach draußen.
    »Fünf Tage geb ich dir noch«, rief ihm der andere hinterher. »Fünf Tage! Wenn die Sache dann nicht bereinigt ist, dann schick ich unsere Männer nach der Mordbande! Und glaub ja nicht, dass du dann einen Heller siehst!«
    Noch während er redete, schloss sein Gesprächspartner die schwere Eichentüre hinter sich. Das Geschrei war jetzt nur noch gedämpft zu hören.
    »In fünf Tagen bist du tot«, murmelte er, wohl wissend, dass ihn der Ältere drinnen nicht hören konnte. »Und wenn dich der Teufel nicht holt, dann schick ich dich selbst in die Hölle.«
    Beim Gang über den Balkon mit seinem prunkvoll verzierten Geländer fiel sein Blick über die Dächer auf den Wald, der schwarz und schweigend vor den Toren der Stadt stand. Kurz spürte er Angst. Der Mann da draußen war unberechenbar. Was würde geschehen, wenn die Kinder beseitigt wären? Würde er jemals aufhören? Wäre er selbst der Nächste?
     
    Sie kamen pünktlich mit dem Zwölfuhrläuten. Vorneweg ging eine Abordnung von vier Stadtbütteln, es folgten der Schreiber und die drei Zeugen. Jakob Schreevogl war blass im Gesicht, er hatte die Nacht schlecht geschlafen, seine Frau war immer wieder aus Albträumen hochgefahren und hatte nach Clara gerufen. Außerdem machte ihm der Kater nach der Sauferei mit dem Medicus noch zuschaffen. Er konnte sich nicht mehr genau erinnern, was er dem jungen Fronwieser alles erzählt hatte. Aber er hatte das Gefühl, dass er selbst ein besserer Redner als Zuhörer gewesen war.
    Vor ihm ging Michael Berchtholdt. Der Bäcker hatte ein Kräutersträußchen mit Beifuß am Gürtel hängen, das ihn vor Hexenzauber schützen sollte. Murmelnd drehte er einen Rosenkranz zwischen den Fingern. Als er den Kerker betrat, schlug er das Kreuzzeichen. Jakob Schreevogl schüttelte den Kopf. Wahrscheinlich hatte der Bäcker Martha Stechlin bereits für sein so oft angebranntes Brot und die vielen Mäuse in seiner Backstube verantwortlich gemacht. Wenn die Stechlin Asche war und das Brot immer noch verbrannt, würde er sich vermutlich eine neue Hexe suchen, dachte Schreevogl und rümpfte die Nase. Der strenge Duft des Beifuß wehte zu ihm hinüber.
    Gleich dahinter betrat Georg Augustin das Gefängnis. Der Sohn aus der mächtigen Fuhrmannsfamilie erinnerte Schreevogl ein wenig an den jungen Medicus. Wie dieser kleidete der Patriziersohn sich gerne nach der neuesten französischen Mode. Sein Bart war frisch gestutzt, die schwarzen Haare lang und gekämmt, die wadenlange Röhrenhose perfekt geschnitten. Eisblaue Augen musterten den Kerker mit Abscheu. Der Sohn einer mächtigen Fuhrmannsfamilie war eine solche Umgebung nicht gewohnt.
    Als die Schongauer in ihrer Zelle die Ankunft der hohen Herrschaften bemerkten, fingen sie an, an den Stäben zu rütteln. Georg Riegg sah immer noch blass aus, das Zetern war ihm vergangen.
    »Euer Exzellenz«, rief der Rottmann in Richtung des Gerichtsschreibers. »Auf ein Wort ...«
    »Was gibt’s, Riegg? Hat er eine Aussage zu machen?«
    »Lasst uns bittschön hier raus. Meine Frau muss das Vieh allein versorgen, die Kinder ... «
    »Er bleibt hier so lange drin, bis sein Fall examiniert ist«, unterbrach ihn Lechner, ohne ihn anzusehen. »Das gilt ebenso für deinen Kameraden und den Augsburger Fuhrmann drüben im Ballenhaus. Gleiches Recht für alle.«
    »Aber Euer Exzellenz ...«
    Johann Lechner war schon auf der Treppe, die nach unten führte. Im Folterkeller war es warm, fast heiß. In der Ecke leuchtete glühend rote Kohle in einem dreifüßigen Becken. Im Gegensatz zum letzten Mal war aufgeräumt. Alles stand bereit, von der Decke baumelte ein neues Streckseil, die Daumenschrauben und Zwickzangen lagen wohl sortiert und geölt auf der Truhe. In der Mitte des Raumes saß auf einem Stuhl die Stechlin, kahlrasiert, mit zerrissenem Kleid, den Kopf vornübergesunken. Der Henker postierte sich mit verschränkten Armen direkt hinter ihr.
    »Ah, ich sehe, Kuisl, alles ist vorbereitet. Gut, sehr gut«, sagte Lechner, rieb sich die Hände und nahm am Schreibpult Platz. Die Zeugen setzten sich zu seiner Rechten. »Dann wollen wir anfangen.« Er wandte sich an die Hebamme, die von ihren Besuchern bislang keine Notiz genommen hatte. »Kann sie mich hören, Stechlin? «
    Der Kopf der Hebamme blieb unten.
    »Ob sie mich hören kann,

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