Die Henkerstochter
will ich wissen?«
Von Martha Stechlin kam immer noch keine Regung. Lechner ging zu ihr hin, zog ihr Gesicht mit zwei Fingern am Kinn nach oben und gab ihr eine Ohrfeige. Jetzt endlich schlug sie die Augen auf.
»Martha Stechlin, weiß sie, warum sie hier ist? « Sie nickte.
»Gut, ich will es ihr trotzdem noch einmal erklären. Sieist verdächtigt, die Kinder Peter Grimmer und Anton Kratz auf gar schändliche Weise zu Tode gebracht zu haben. Außerdem soll sie mit Hilfe des Teufels die Clara Schreevogl entführt und zur gleichen Zeit den Stadl angezündet haben.«
»Und die tote Sau in meinem Stall? Was ist mit der toten Sau? « Michael Berchtholdt war von seinem Platz aufgesprungen. »Gestern noch hat sie sich im Dreck gewälzt, und heute ...«
»Zeuge Berchtholdt«, fuhr ihn Lechner an. »Ihr sprecht nur, wenn Ihr aufgefordert werdet. Es geht jetzt um mehr als eine tote Sau, es geht um unser aller lieben Kinder!«
»Aber ...«
Ein Blick des Gerichtsschreibers ließ Berchtholdt verstummen.
»Also, Stechlin«, fuhr Lechner fort. »Gibst du die dir vorgeworfenen Verbrechen zu?«
Die Hebamme schüttelte den Kopf. Ihre Lippen waren schmal, Tränen flossen ihr übers Gesicht. Sie weinte lautlos.
Lechner zuckte mit den Schultern. »Dann werden wir jetzt zur peinlichen Befragung schreiten. Henker, beginn mit den Daumenschrauben.«
Jetzt war es Jakob Schreevogl, den es nicht mehr auf seinem Stuhl hielt. »Aber das ist doch alles Unsinn!«, rief er. »Die Stechlin war doch längst hier im Kerker, als der kleine Kratz umgebracht wurde. Und auch mit der Entführung meiner Clara und dem Stadlbrand kann sie nichts zu tun haben!«
»Haben die Leute nicht berichtet, der Teufel selbst habe Eure Clara mitgenommen?«, fragte jetzt der junge Augustin, der rechts neben Schreevogl saß. Seine blauen Augen musterten den Hafnersohn, fast schien er zu lächeln.»Kann es nicht sein, dass die Stechlin den Teufel gebeten hat, all dies zu tun, nachdem sie hier festsaß?«
»Warum hat sie ihn dann nicht gebeten, sie aus dem Kerker rauszuholen? Das gibt doch alles keinen Sinn!«, sagte Jakob Schreevogl.
»Die Folter wird uns zur Wahrheit bringen«, meldete sich der Gerichtsschreiber wieder. »Henker, fahr fort.«
Der Scharfrichter griff nach hinten in die Truhe und zog eine Daumenschraube hervor. Sie bestand aus einer Eisenklammer, die man vorne mit Hilfe einer Schraube festdrehen konnte. Er nahm den linken Daumen der Hebamme und führte ihn in das Gerät ein. Jakob Schreevogl wunderte sich über die scheinbare Gleichgültigkeit des Henkers. Gestern noch hatte Jakob Kuisl der Folterung heftig widersprochen, und auch der junge Medicus hatte ihm bei ein paar Schnäpsen erzählt, dass der Henker mit der Verhaftung der Stechlin durchaus nicht einverstanden gewesen war. Und jetzt legte er ihr die Daumenschrauben an.
Doch auch die Hebamme schien sich in ihr Schicksal gefügt zu haben. Fast willenlos überließ sie dem Henker ihre Hand. Jakob Kuisl drehte an der Schraube. Einmal, zweimal, dreimal ... Ein kurzes Zucken lief durch ihren Körper, mehr nicht.
»Martha Stechlin, gestehst du jetzt die dir zur Last gelegten Verbrechen«, fragte der Schreiber im monotonen Singsang.
Immer noch schüttelte sie den Kopf. Der Henker zog noch fester. Keine Regung, nur die Lippen wurden noch schmaler, ein blassroter Strich, wie eine Tür verschlossen.
»Verdammt, drehst du auch richtig zu?«, fragte Michael Berchtholdt den Henker. Jakob Kuisl nickte. Zum Beweis drehte er die Schraube wieder auf und hielt den Arm der Gefolterten in die Höhe. Der Daumen war eineinziger blauer Fleck, Blut quoll unter dem Fingernagel hervor.
»Der Teufel hilft ihr«, flüsterte der Bäcker. »Herrgott, beschütze uns ...«
»So kommen wir nicht weiter.« Johann Lechner schüttelte den Kopf und legte die Feder, mit der er seine Notizen machen wollte, zurück auf den Tisch. »Büttel, bringt mir die Truhe.«
Zwei der Stadtwachen reichten dem Schreiber eine kleine Truhe, die er nun auf den Tisch hob und öffnete. »Sieh, Hexe«, sagte er. »Das sind alles Dinge, die wir in deinem Haus gefunden haben. Was sagst du dazu?«
Zum Erstaunen von Jakob Schreevogl und der anderen zog er ein kleines Säcklein aus der Truhe hervor und streute schwarzbraune Körnchen auf seine Hand. Er zeigte sie den Zeugen. Der Hafnersohn nahm ein paar zwischen die Finger. Sie stanken leicht nach Verwesung und erinnerten von der Form entfernt an Kümmel.
» Bilsenkrautsamen «, dozierte der
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