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Die Henkerstochter

Titel: Die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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gebracht.«
    Der Henker sah auf den jungen Mann hinab. Er überragte ihn um gut einen Kopf. Ein Lächeln spielte über seine Lippen.
    »Was meinst, was ich hier mach?«, fragte er. »Kurieren? Glieder einrenken? Ich renk’s aus, ihr habt’s das so gewollt, also mach ich’s.«
    Er schob den Büttel zur Seite und betrat den Kerkerraum.
    »Ich ... ich hab des ned gewollt. Ich nicht!«, rief ihm Andreas hinterher.
    Vom Geschrei aufgeschreckt raffte sich Georg Riegg auf, der als Rädelsführer der Schlägerei unten am Stadl immer noch mit dem Brückenwächter in der linken Zelle einsaß.
    »Ah, jetzt bekommen wir hohen Besuch!«, schrie er. »Jetzt geht’s los! Gell, Kuisl, machst es schön langsam, dass wir hier auch was davon haben, wenn die Hex wimmert! «
    Der Henker trat an die Zelle und blickte den Brückenwächter nachdenklich an. Plötzlich griff er durch die Gitterstäbe und hielt den Gefangenen am Gemächt fest. Er drückte fest zu, so dass seinem Gegenüber die Augen aus dem Gesicht traten und er leise keuchte.
    »Pass bloß auf, Riegg«, flüsterte Jakob Kuisl. »Ich kenndeine schmutzigen Geheimnisse. Ich kenn euch alle. Wie oft bist du zu mir gekommen wegen einem Tee, damit er dir steht, oder einem Flascherl Engelsgift, damit dei Frau ned noch an Balg wirft? Wie oft hast die Hebamme zu euch nach Hause geholt? Fünfmal? Sechsmal? Und jetzt ist sie die Hex, und ihr seid’s fein raus. Ihr speit’s mich an! «
    Der Henker ließ den Gepeinigten los und schleuderte ihn nach hinten, wo er an der Zellenwand langsam nach unten sank und vor sich hinwimmerte. Dann ging Kuisl hinüber zur anderen Zelle, wo die Stechlin ihn bereits erwartete, mit ängstlichen Augen, die Finger an die Zellenstäbe geklammert.
    »Gib mir meinen Mantel wieder, ich hab dir a Deck’n mitgebracht«, sagte Jakob Kuisl laut. Er reichte ihr eine Wolldecke hinein, während die Hebamme fröstelnd seinen Mantel abstreifte. Als sie nach der eingerollten Decke griff, flüsterte er ihr beinahe lautlos zu.
    »Wickel die Decken hinten im Dunkeln aus. A Flascherl ist drin, des trinkst.«
    Martha Stechlin sah ihn fragend an. »Was ist ...? «
    »Red ned, trink«, flüsterte er weiter. Der Büttel Andreas hatte sich in der Zwischenzeit wieder auf seinen Hocker neben der Tür gesetzt. Auf seinen Spieß gelehnt blickte er interessiert zu ihnen hinüber.
    »Die hohen Herren kommen zum Zwölfuhrläuten«, fuhr Jakob Kuisl laut fort. »Am besten du fängst schon einmal mit dem Beten an.«
    Und leise fügte er hinzu: »Hab keine Angst, es ist zu deinem Besten. Vertrau mir. Aber du musst das Flascherl gleich austrinken.«
    Dann wandte er sich ab und ging die feuchte Treppe hinunter in die Folterkammer, um sich vorzubereiten.
     
    Die beiden Männer saßen bei einem Glas Portwein zusammen, doch der eine hatte Schwierigkeiten zu trinken. Die Schmerzen ließen ihn zittern, so dass Tropfen des wertvollen Getränks auf seinen mit Goldbrokat bestickten Rock fielen. Flecken wie von Blut breiteten sich auf dem Gewand aus. Seit gestern war es schlimmer geworden, auch wenn er es vor den anderen noch gut verbergen hatte können.
    »Sie sind ihnen entwischt«, sagte er. »Ich hab’s gewusst, du machst alles nur noch ärger. Nichts, aber auch gar nichts bringst du allein zustande!«
    Der andere nippte gedankenverloren an seinem Portwein. »Sie werden sie noch kriegen«, sagte er. »Sie können nicht weit sein. Es sind Kinder.«
    Wieder flutete eine Welle von Schmerz durch den Körper des Älteren. Nur mühsam bekam er seine Stimme unter Kontrolle.
    »Die Sache läuft aus dem Ruder!«, ächzte er. Die rechte Hand krallte sich um das geschliffene Glas aus Bleikristall. Er durfte jetzt nicht aufgeben, nicht nachlassen, nicht jetzt, so kurz vor dem Ziel …
    »Das kann unser Untergang sein, nicht nur von dir oder mir, von der ganzen Familie, verstehst du? Unser Name wird auf ewig besudelt sein!«
    »Ach was«, sagte der andere und lehnte sich im Sessel zurück. »Das sind Kinder, wer glaubt denen? Es ist ganz gut, wenn sich das mit der Hex noch hinzieht. Zuerst müssen die Kinder weg, dann kann die Hexe brennen. So fällt kein Verdacht auf uns. «
    Er stand auf und ging zur Tür. Die Geschäfte warteten, zu lange war hier alles den Bach runtergegangen. Es hatte jemand wie er gefehlt, jemand, der die Zügel anzog. Sie hatten ihn alle falsch eingeschätzt.
    »Und was ist mit dem eigentlichen Auftrag?«, fragte ihn der Ältere, während er versuchte, sich am Tisch

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