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Die Henkerstochter

Titel: Die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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das Dickicht des Waldes, und ein Sonnenstrahl ließ den Säbel im Licht glitzern. Dort, wo die Gestalt durch die schmale Bahn von Licht auf Simon zueilte, leuchtete etwas weiß auf.
    Es war die Hand des Teufels, eine Knochenhand.
    Simon hatte plötzlich das Gefühl, dass die Zeit zäh dahintropfte. Jede Geste, jedes Detail brannte sich fest in sein Gedächtnis ein. Seine Füße klebten auf der Erde, als steckten sie im Sumpf. Erst als der Teufel auf zehn Schritte herangekommen war, konnte er sich wieder rühren. Er machte kehrt und rannte in Todesangst in Richtung Waldrand. Hinter sich hörte er die Schritte des Teufels, ein rhythmisches Knirschen auf Kies und Erde. Bald konnte er den Atem seines Verfolgers hören. Er kam näher.
    Simon wagte nicht, sich umzudrehen, aus Angst, den Abstand dadurch zu verringern. Er rannte und rannte, er schmeckte den metallischen Geschmack von Blut im Mund, und er spürte, dass er nicht mehr lange würde durchhalten können. Der Mann hinter ihm war das Laufen gewöhnt, sein Atem ging ruhig und gleichmäßig, er würde ihn bald eingeholt haben. Und noch immer war der Waldrand nicht zu sehen, nur Dickicht und Dunkelheit.
    Der Atem kam näher. Simon verfluchte sich für seine Idee, allein in den Wald zu gehen. Der Teufel hatte ihn und den Henker an der Baustelle gesehen, sie hatten ihn verfolgt. Sie hatten ihn gereizt. Und jetzt war der Teufel ihm auf den Fersen. Simon machte sich keine Illusionen. Wenn der Mann ihn einholte, würde er ihn töten, genauso schnell und beiläufig wie man eine lästige Fliege erschlägt.
    Endlich wurde es vor ihm heller. Simons Herz raste. Das musste der Waldrand sein! Der Weg ging hinunter in eine Senke, bevor er schließlich den Wald verließ und zumFluss hinunterführte. Licht brach durch die Wipfel, die Schatten zogen sich zurück. Simon stolperte noch einige Meter, dann umfing ihn gleißendes Sonnenlicht. Er hatte den Rand des Waldes erreicht. Er taumelte über eine Anhöhe und sah unter sich die Floßlände liegen. Menschen standen am Ufer, Ochsen zogen einen Karren den Berg hinauf zum Wald. Jetzt erst wagte er sich umzudrehen. Die Gestalt hinter ihm war verschwunden. Der Waldrand lag wie ein schwarzes Band in der Mittagssonne.
    Noch immer fühlte er sich nicht sicher. Er atmete einmal tief durch, dann lief er beinahe taumelnd die Straße hinunter zur Floßlände. Immer wieder sah er hinter sich. Als er zum wiederholten Mal den Kopf zum Wald hin drehte, prallte er vorne mit jemandem zusammen.
    »Simon? «
    Es war Magdalena. Sie hielt einen Korb in der Hand, der gefüllt war mit Wildkräutern. Erstaunt blickte sie ihn an.
    »Was ist denn passiert? Du siehst aus, als hättest du ein Gespenst gesehen.«
    Simon schob sie die wenigen Meter hinunter zur Floßlände und ließ sich auf einen Stapel Balken nieder. Erst hier inmitten des geschäftigen Treibens der Flößer und Fuhrleute fühlte er sich wirklich sicher.
    »Er ... er war hinter mir her«, stammelte er schließlich, als sein Atem einigermaßen zur Ruhe gekommen war.
    »Wer denn?«, frage Magdalena besorgt und setzte sich neben ihn.
    »Der Teufel.«
    Magdalena lachte, aber ihr Lachen klang nicht echt. »Simon, red keinen Unsinn«, sagte sie schließlich. »Du hast gesoffen, in der Mittagssonne!«
    Simon schüttelte den Kopf. Dann erzählte er ihr alles, was sich seit dem Morgen zugetragen hatte. Die Zerstörungauf der Baustelle, die Verfolgungsjagd mit ihrem Vater im Wald, die Gespräche mit dem Pfarrer, mit Schreevogl und Sophie, schließlich seine Flucht hinunter zur Floßlände. Als er geendet hatte, sah ihn Magdalena mit besorgten Augen an.
    »Aber warum hat es der Teufel auf dich abgesehen?«, fragte sie. »Du hast doch nichts damit zu tun, oder?«
    Simon zuckte mit den Schultern. »Wahrscheinlich, weil wir ihm auf den Fersen sind. Weil wir ihn fast erwischt hatten.« Er sah Magdalena ernst an. »Auch dein Vater ist in Gefahr.«
    Magdalena schmunzelte. »Das möcht ich sehen, wie der Teufel meinem Vater eins überzieht. Mein Vater ist der Henker, vergiss das nicht.«
    Simon stand von dem Holzstapel auf. »Magdalena, das ist kein Spaß«, rief er. »Dieser Mann, oder was auch immer er ist, hat vermutlich ein paar Kinder umgebracht! Er wollte mich töten, und vielleicht beobachtet er uns gerade jetzt.«
    Magdalena sah sich um. Fuhrleute beluden direkt vor ihnen zwei Flöße mit Kisten und Fässern und zurrten sie fest. Weiter unten räumten ein paar Männer die verkohlten Überreste des

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