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Die Henkerstochter

Titel: Die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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musste. Wenn die peinliche Befragung einmal begonnen hatte, landeten die armen Sünder sowieso fast immer auf dem Scheiterhaufen oder wie zerbrochene Puppen auf dem Rad. Sterben musste die Hebamme so oder so, auch wenn sein Sohn Simon von ihrer Unschuld überzeugt war. Nun,jetzt hatte Bonifaz Fronwieser wenigstens noch an ihr verdient. Und wer weiß? Gut möglich, dass man ihn noch einmal holte.
    Zufrieden spielte er mit dem Gulden in seiner Tasche und ging zum Marktplatz, um sich eine warme Fleischpastete zu besorgen. Die Behandlung hatte ihm Appetit gemacht.
     
    Drinnen hatten sich die Zeugen und der Schreiber bereits im Folterkeller auf ihren Stühlen niedergelassen. Sie warteten darauf, dass ihnen der Henker die Hebamme nach unten brachte und gefügig machte. Johann Lechner hatte für alle Wein, Brot und kalten Braten bereitstellen lassen, denn heute konnte die Befragung etwas länger dauern. Lechner schätzte die Stechlin als stur ein. Sei’s drum, sie hatten noch mindestens zwei Tage, bis der kurfürstliche Pfleger samt Tross hier erscheinen und der Stadt auf der Tasche liegen würde. Bis dahin würde die Hebamme gestanden haben, da war sich Lechner sicher.
    Doch noch war der Henker nicht aufgetaucht, und ohne ihn konnte nicht begonnen werden. Der Schreiber trommelte ungeduldig mit den Fingern auf die Tischplatte.
    »Der Kuisl ist verständigt, ja?«, fragte er einen der Büttel. Dieser nickte.
    »Wahrscheinlich ist er mal wieder besoffen«, krähte der Zeuge Berchtholdt, der seinerseits so aussah, als hätte man ihn nicht aus der Backstube geholt, sondern aus einem der Wirtshäuser hinter dem Marktplatz. Sein Gewand war fleckig von Mehl und Bier, die Haare standen in Büscheln ab, er roch wie ein leeres Fass. Gierig trank er seinen Becher Wein leer und füllte nach.
    »Mäßigt Euch«, mahnte Jakob Schreevogl. »Das hier ist keine Stammtischrunde, sondern eine peinliche Befragung. «Insgeheim hoffte er, dass der Henker das Weite gesucht hatte und die Folter deshalb nicht stattfinden konnte. Auch wenn er wusste, dass dies unwahrscheinlich war. Jakob Kuisl hätte seine Anstellung verloren, und in wenigen Tagen hätte der Augsburger oder vielleicht der Steingadener Scharfrichter an seiner Stelle hier gestanden. Aber schon ein Aufschub von wenigen Tagen würde vielleicht ausreichen, um den oder die wahren Mörder zu finden. Jakob Schreevogl war mittlerweile überzeugt, dass die Stechlin unschuldig hinter Gittern saß.
    Der Zeuge Georg Augustin nippte am Weinbecher und brachte seinen weißen Spitzenkragen in Ordnung.
    »Vielleicht ist dem Henker entgangen, dass wir nicht unendlich viel Zeit haben. Diese Befragungen kosten mich jedes Mal einen Haufen Gulden.« Sein Blick schweifte gelangweilt über die Folterinstrumente, während er weitersprach. »Unsere Fuhrleute sitzen sich im ›Stern‹ den Arsch breit, wenn sie nicht ständig angetrieben werden. Und der Schreibkram erledigt sich auch nicht von selbst. Also lasst uns um Himmels willen endlich anfangen!«
    »Ich bin mir sicher, die Hexe gesteht heute oder spätestens morgen«, beruhigte ihn Johann Lechner. »Dann geht hier alles wieder seinen geordneten Gang.«
    Jakob Schreevogl lachte leise vor sich hin. »Seinen geordneten Gang? Ihr vergesst wohl, dass da draußen ein Teufel unterwegs ist, der mittlerweile drei Kinder umgebracht hat. Und meine geliebte Clara ist Gott weiß wo ... « Seine Stimme brach, er wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel.
    »Stellt Euch nicht so an«, blaffte Georg Augustin. »Wenn die Hexe tot ist, dann fährt der Teufel aus ihr aus und verschwindet dorthin, wo er hergekommen ist. Und Eure Clara, die taucht schon wieder auf. «
    »Amen«, nuschelte der Zeuge Berchtholdt und rülpste laut. Er war mittlerweile beim dritten Becher angekommen. Seine Augen starrten glasig ins Leere.
    »Überhaupt«, setzte Georg Augustin nach. »Wenn es nach meinem Vater gegangen wäre, dann hätten wir mit dieser Befragung schon viel eher angefangen. Dann könnte die Stechlin jetzt schon brennen, und die Sache wäre ausgestanden!«
    Jakob Schreevogl erinnerte sich noch gut an die Ratssitzung am vergangenen Montag, als der blinde Augustin die hohen Herren an den großen Schongauer Hexenprozess vor siebzig Jahren erinnert und auf eine schnelle Lösung gedrängt hatte. Seitdem waren fünf Tage vergangen. Schreevogl kam es vor wie eine Ewigkeit.
    »Seid still!«, fuhr Johann Lechner den Sohn des blinden Rottfuhrmanns an. »Ihr wisst selbst, dass wir

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