Die Herren der Unterwelt 01 - Schwarze Nacht
die Hand um einen seiner Dolche. Anscheinend hielt der Tag noch mehr Überraschungen bereit. „Sabin.“ Er hätte nicht gedacht, Zweifel noch mal wiederzusehen. Den Mann, den er einst seinen Freund genannt hatte, bis er ihm eine Klinge an den Hals gehalten und zugedrückt hatte. „Was macht er hier? Warum gerade jetzt …?“ Die Antwort traf ihn wie ein Blitz, und er brach mitten im Satz ab. „Er führt immer noch Krieg gegen die Jäger. Wahrscheinlich hat er sie bis zu unserer Türschwelle geführt.“
„Es gibt nur einen Weg, das herauszufinden“, entgegnete Lucien, doch keiner von ihnen regte sich.
Aeron wusste nur, warum seine Füße sich in Blei verwandelt hatten. Er war in Gedanken zu jener düsteren, schicksalhaften Nacht zurückgekehrt.
„Wir müssen sie umbringen“, hatte Sabin gesagt. „Du siehst doch, was sie mit Baden gemacht haben.“
„Wir haben schon genügend solcher Taten begangen“, hatte Lucien mit seiner ruhigen Stimme erwidert. „Wir haben ihnen und ihren Familien weitaus mehr Schmerz zugefügt als sie uns.“
Kalter Zorn legte sich auf Sabins Gesicht. „Dann bedeutet Baden dir also gar nichts?“
„Ich habe ihn genauso geliebt wie du, aber es macht ihn auch nicht wieder lebendig, wenn wir noch mehr Menschenleben vernichten“, keifte Aeron und wandte Sabin den Rücken zu, um den Schmerz in seinem Blick nicht länger ertragen zu müssen. Einen Schmerz, den er ebenfalls verspürte. „Ich kann nicht mehr. Mein Herz wird mit jedem Tag schwärzer. Ich brauche Frieden. Einen Zufluchtsort.“
„Ich würde lieber sterben, als auch nur einem Jäger das Leben zu schenken.“
„Wir haben die Männer getötet, die ihn enthauptet haben. Das sollte reichen.“
„Es sollte reichen? Ich habe Badens leblosen Körper in den Armen gehalten. Sein Blut ist in meine Seele geflossen, und du verlangst von mir, dass ich einfach weggehe? Du bist ja noch schlimmer als die Jäger.“ Dann hatte Sabin ihn angegriffen und ihm die Klinge in den Hals gerammt, noch ehe Aeron sie hatte kommen sehen.
Einen fairen Kampf hätte er ihm verzeihen können. Aber einen feigen Angriff von hinten? Niemals.
Nachdem Aeron ihn erfolgreich abgewehrt hatte, hatte er nur noch weg gewollt. Weg aus Griechenland, weg von dem Krieg und den verhassten Erinnerungen. Aber der Blutdurst von Sabin und ein paar anderen war noch nicht gestillt gewesen.
Da hatten sich die Herren getrennt. Unwiderruflich.
Jetzt musterte er sie von oben bis unten, diese Krieger, die er kannte und doch nicht kannte. Sie schienen noch dieselben zu sein wie früher, auch wenn sich ihr Aussehen mit den Jahren verändert hatte. Gideon hatte blaue Haare und einen boshaften Schimmer in den kalten, blauen Augen – einen Schimmer, der mehr als wild war, mehr als raubtierhaft. Er erinnerte Aeron an das einzige Mal, als Lucien explodiert war und nichts und niemand ihn hatte bändigen können.
Cameo war nach wie vor die hübscheste Frau, die er je gesehen hatte, doch bei ihrem Anblick hätte er sich am liebsten einen seiner Dolche ins Herz gerammt. Strider sah immer noch gut aus, aber die Jahre der Unbarmherzigkeit hatten tiefe Spuren auf seinem Gesicht hinterlassen. Amun hatte sein Gewand gegen ein schwarzes Hemd und Jeans getauscht.
Wo war Kane? Hatten die Jäger auch ihn erwischt?
Sabin und die anderen kamen langsam auf sie zu. Aeron ließ sie nicht aus den Augen, als er und seine Freunde sich endlich ebenfalls in Bewegung setzten. Die beiden Gruppen trafen sich in der Mitte der Tanzfläche, die sofort wie leergefegt war.
„Was macht ihr hier?“, wollte Lucien wissen. Aeron fiel auf, dass er Englisch sprach. Vermutlich, damit die Menschen ihn nicht verstanden.
„Das könnte ich euch auch fragen“, erwiderte Sabin in derselben Sprache.
„Bist du hier, um noch jemanden hinterrücks anzugreifen, Zweifel?“, provozierte Aeron den Krieger.
Überrascht sah Sabin ihn an. „Das ist schon Jahrtausende her, Wut. Schon mal was von Vergebung gehört?“
„Klingt lustig aus deinem Mund.“
Unter dem rechten Auge des Kriegers zuckte ein Muskel. „Wir sind nicht hergekommen, um euch anzugreifen. Wir sind hier, um gegen die Jäger zu kämpfen. Sie sind nämlich in der Stadt, falls es euch entgangen sein sollte.“
Aeron schnaubte. „Ist es nicht. Habt ihr sie hergeführt?“
„Wohl kaum.“ Sabin leckte sich über die Zähne. „Sie haben vor uns herausgefunden, dass ihr hier seid.“
„Und wie?“
Sabin zuckte mit den Achseln. „Keine
Weitere Kostenlose Bücher