Die Herren der Unterwelt 01 - Schwarze Nacht
weh.“
„Das hat er vor fünf Minuten doch auch noch nicht.“
„Aber …“, husten, „… jetzt.“
Ashlyn befreite sich aus McIntoshs Griff, eilte zu Danika und kniete sich neben sie. „Ist sie …“ Sie fühlte den Puls und fand ihn auch. Gott sei Dank.
„Sie schläft nur“, versicherte McIntosh ihr.
Erleichtert ließ sie die Schultern hängen. „Warum machen Sie so was? Warum haben Sie sie außer Gefecht gesetzt?“ Während sie sprach, konnte sie einen Teil ihrer Unterhaltung hören.
Wer sind Sie?, fragte Danika. Und was wollen Sie hier?
Ich stelle hier die Fragen. Wer seid ihr?, entgegnete McIntosh.
Gefangene.
Habt ihr auch nach der Büchse gesucht?
Bei der Frage sank Ashlyn der Mut.
Büchse? Sie konnte Danika die Verwirrung anhören.
Haben sie euch gesagt, wo sie ist? McIntosh klang aufgeregt.
Offenbar hatte er sie gepackt, denn sie zischte: Lassen Sie mich los!
Haben sie?
Reyes! Reyes, Hilfe!
Sei still, oder ich sehe mich gezwungen, dich mundtot zu machen.
Reyes!
Dann hatte es wohl einen Kampf gegeben, denn Ashlyn vernahm ein angestrengtes Schnauben, die Schreie von Danikas Familie und dann plötzliche Stille. Anschließend wurde darüber gesprochen, die Frauen zu betäuben und später als Köder einzusetzen, falls erforderlich.
Jäger, schoss es ihr durch den Kopf, und sie schloss vor Entsetzen die Augen. Sie hatte gestern schon so was vermutet, als sie sich mit Danika unterhalten hatte, den Gedanken aber ganz schnell wieder beiseitegeschoben und sich daran erinnert, wie gut und ehrenwert das Institut doch war. Wenn sie ehrlich war, hatte ein Teil von ihr geglaubt, dass gerade vor ihr niemand ein solches Geheimnis hätte geheim halten können. Aber diese Männer waren ohne Zweifel Jäger. Daran gab es nichts zu beschönigen. Sie öffnete die Augen und musterte ihren Vorgesetzten.
Ihr war speiübel. Er hatte die ganze Zeit von der Schatulle gewusst. Er hatte danach gesucht, ohne sie einzuweihen. Oh Gott.
Er hatte sie belogen. Sie hatte ihr gesamtes Leben einer Sache gewidmet, die gar nicht existierte. McIntosh hatte ihr als Kind jahrelang Märchen vorgelesen und ihr gesagt, dass sie etwas Besonderes und zu Höherem berufen sei. Sie hatte gedacht, sie mache die Welt zu einem besseren Ort. Stattdessen hatte sie dabei geholfen, Menschen, vielleicht Unschuldige, zu vernichten. Sie fühlte sich verraten, und dieses Gefühl war so stark, dass es sie beinahe in die Knie gezwungen hätte.
„Sie untersuchen die Wesen, die ich für Sie finde, überhaupt nicht, oder?“ Ihre Stimme war ganz leise. „Jäger.“
„Natürlich tue ich das“, erwiderte er beleidigt. „Ich bin schließlich Wissenschaftler. Nicht jeder Mitarbeiter des Instituts ist ein Jäger, Ashlyn. Du bist der beste Beweis dafür. Neunzig Prozent unserer Arbeit besteht ausschließlich aus Beobachten. Aber wenn wir das Böse finden, merzen wir es aus. Und zwar gnadenlos.“
„Und was gibt Ihnen das Recht dazu?“
„Die Moral. Das Wohl der Allgemeinheit. Im Gegensatz zu den Dämonen hier bin ich kein Ungeheuer. Alles, was ich mache, mache ich zum Schutz der Menschheit.“
„Warum wusste ich nichts davon?“ Jetzt flüsterte sie fast. „Warum habe ich nie etwas davon gehört?“
Er hob das Kinn. Sein Blick bat um Verständnis. „Nur einige Wenige machen die eigentliche Schmutzarbeit. Darüber haben wir im Institut nie gesprochen. Außerdem haben wir dich nie an die Orte gelassen, an denen unsere Besprechungen stattfanden.“
„All die Jahre.“ Sie schüttelte benommen den Kopf. „Kein Wunder, dass Sie mich kaum aus den Augen gelassen haben. Sie wollten verhindern, dass ich über Informationen stolpere, die nicht für mich bestimmt waren.“
„Du willst Informationen? Ich kann dir Bilder von den Dingen zeigen, die diese Dämonen angerichtet haben. Bilder, bei deren Anblick du kotzen wirst. Bilder, bei deren Anblick du dir am liebsten die Augen auskratzen möchtest, damit du so etwas nie wieder sehen musst.“
Sie hielt sich den Magen. „Sie hätten mir die Wahrheit sagen müssen.“
„Ich wollte dich da so weit wie möglich raushalten. Du bedeutest mir wirklich viel, Ashlyn. Wir wussten, dass es unter den Dämonen zwei Gruppen gibt. Die eine haben wir jahrelang bekämpft, und nach der anderen haben wir die ganze Zeit gesucht. Dann hat eine unserer Mitarbeiterinnen Promiskuität gefunden. Wir haben dich nach Budapest gebracht, damit du dich umhörst und so viel wie möglich über die neuen Feinde in
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