Die Herren der Unterwelt 01 - Schwarze Nacht
Reyes. „Aber mich würde interessieren, warum sie uns nicht die Köpfe abgetrennt haben, als sie es gekonnt hätten.“
„Sie haben etwas anderes vor.“ Paris kreiste die Schulter. „Eine andere Erklärung gibt es nicht.“
Alle Augen richteten sich auf Sabin.
Er zuckte die Achseln. „Sie wollen Blut sehen. Wir müssen mit allem rechnen.“
Reyes nickte. „Am besten machen wir uns kampfbereit und spüren sie auf, ehe sie den nächsten Versuch starten.“
Sabin wischte sich mit dem T-Shirt übers Gesicht. „Ich erinnere mich noch an eine Zeit, als ihr lieber mit euren Freunden gebrochen habt als einen Jäger anzugreifen.“
„Nein“, widersprach Lucien. „Wir haben mit Freunden gebrochen, die eine komplette Stadt samt ihrer Einwohner vernichten wollten. Wir haben mit Freunden gebrochen, die einen aus unseren Reihen hinterrücks angegriffen haben.“
Mit starrem Blick wandte Sabin sich ab.
Maddox sah sich im Foyer um und musterte die abgekämpfte Truppe. „Wo ist Torin?“
Eine tödliche Stille senkte sich über Lucien. „Ist er noch nicht vom Friedhof zurück?“
Friedhof? Torin hatte die Burg verlassen? Was hatte Maddox denn noch alles verpasst, während er tot war? „Ich glaube nicht. Ich habe ihn nicht kommen hören, aber ich war auch … beschäftigt.“
Mit hochgezogenen Augenbrauen zog Sabin ein Funkgerät hervor. „Kane. Hörst du mich?“
Nichts.
„Kane?“
Wieder nichts. Mit einem Anflug von Panik in der Stimme wiederholte Sabin: „Kane. Antworte mir.“
Nichts.
Alle sahen einander an.
Lucien fuhr sich mit der Hand übers Kinn. Seine Gesichtszüge waren noch angespannter als zuvor. „Wir müssen Torin finden, bevor es jemand anderes tut. Maddox, du holst Verbandszeug. Wir treffen uns oben. Ich will in zehn Minuten los.“
Auf einmal vernahm er das erschrockene Keuchen einer Frau. Maddox wirbelte herum und sah Ashlyn auf dem obersten Treppenabsatz stehen. Die langen Locken, die er so liebte, fielen ihr über die Schultern, und ihre weit aufgerissenen Augen blickten beunruhigt drein. Sie trug eins seiner T-Shirts und die schwarze Jogginghose, die an ihren Beinen schlackerte.
Binnen weniger Sekunden stand er neben ihr und zog sie hinter sich, um sie aus dem Sichtfeld der Krieger zu schaffen. Er wusste nicht, ob er den neuen „Familienmitgliedern“ trauen konnte. Eher nicht. Nicht mehr. Zu viel Zeit war vergangen, als dass er irgendeine Form von Verbundenheit zu ihnen spürte.
„Ich brauche wohl gar nicht erst zu fragen, zu wem der Mensch gehört“, stellte Sabin trocken fest.
„Was ist mit ihnen passiert?“, fragte Ashlyn entsetzt. Sie lugte an seiner Schulter vorbei. „Sie sind voller Blut. Und wer sind die anderen Männer?“
„Eine Bombe. Die anderen sind … welche von uns.“
„Fünf Minuten und ein Messer“, schrie Aeron und riss an seinen Fesseln. „Mehr brauche ich nicht.“
Ashlyn war kalkweiß im Gesicht, als sie nach Maddox’ Arm griff.
Reyes ging auf den Gefangenen zu, der jetzt wild vor sich hin fluchte, und schlug ihm ins Gesicht. Einmal, zweimal, dreimal. Er schlug solange auf Aeron ein, bis dieser zu Boden ging. Maddox meinte, Aeron „Danke“ sagen zu hören, aber er war sich nicht sicher.
Während die Krieger nach oben humpelten, blieb Maddox schützend vor Ashlyn stehen. Als sie alleine waren, drehte er sich zu ihr um und zeichnete mit der Fingerkuppe die Kontur ihres Kiefers nach. „Geh zurück in mein Zimmer. Bitte“, fügte er hinzu. „Ich komme so schnell wie möglich nach.“
Entschlossen sah sie unter ihrem dichten Wimpernschleier zu ihm auf. „Ich kann ihnen helfen, und die anderen Frauen auch. Danika hat mir auch geholfen, als ich krank war, erinnerst du dich? Sie behält in Krisensituationen einen kühlen Kopf. Genauso wie ich.“
Er schüttelt kurz und heftig den Kopf. „Ich will nicht, dass du ihnen zu nahe kommst.“
„Wenn ich hier bleibe, habe ich auch das Recht, deine Freunde kennenzulernen.“
„Nicht alle von diesen Männern sind meine Freunde. Und diejenigen, die meine Freunde sind, kannst du gern ein andermal kennenlernen. Jetzt brauchst du Ruhe.“
Sie stemmte die Fäuste in die Hüfte. „Ich weigere mich, den ganzen Tag im Bett herumzulungern, wenn ich mich nützlich machen kann.“
„Ruhe ist nützlich.“
„Ist sie nicht.“
„Ich kenne ein paar dieser Männer nicht, Ashlyn. Nicht mehr. Wenn einer von ihnen versucht, dir was anzutun …“ Schon als er diese Worte aussprach spürte er eine tiefe
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