Die Herren der Unterwelt 01 - Schwarze Nacht
schmerzenden Knöchel. Wer konnte sie, die einen Meter achtundsechzig große Ashlyn, dafür halten?
„Ist ja auch egal. Überleg dir lieber, wie du hier rauskommst, Darrow.“ Sie musste der Polizei melden, was mit Maddox geschehen war. Ob sie ihr glauben würden? Ob sie sich überhaupt dafür interessierten? Oder hatten die Burgbewohner die Polizei, genauso wie den Rest der Stadtbewohner – Engel, gewiss –, irgendwie verhext, sodass sie tun und lassen konnten was sie wollten und wann sie es wollten?
Ihr entwich ein Schluchzer; ihr Körper wurde von heftigem Zittern geschüttelt. Niemand hatte es verdient, so langsam und qualvoll zu sterben. Ohne Würde. Die Schreie unbeachtet verhallend.
Sie würde Maddox rächen – so oder so.
Maddox schrie.
Sein Körper badete im Feuer. Die Flammen verbrannten seine Haut und sein Fleisch, bis nur noch Knochen übrig waren. Nein, nicht mal Knochen, dachte er im nächsten Moment. Er war nichts weiter als ein Häuflein Asche. Und trotzdem war er immer noch bei Bewusstsein, erlebte jeden einzelnen Moment ganz deutlich mit. Er wusste, wer er war, was er war und dass er morgen in das Feuer zurückkehren müsste.
Er konnte die Schmerzen kaum ertragen. Rauchschwaden wirbelten den Ruß in alle Richtungen und verdickten die Luft. Angewidert dachte er daran, dass der Ruß ein Teil von ihm war.
Und dann kehrte sich der Prozess um. Sein Körper setzte sich wieder zusammen, und er wurde wieder zu einem Menschen – einem Menschen, der einmal mehr von den Flammen verzehrt wurde. Der einmal mehr Stück für Stück grausam schmolz, dessen Fleisch und Muskeln sich von den Knochen lösten, bis alles zerfiel. Dann eine weitere rußgeschwärzte Brise, die alles auf Anfang setzte, sodass sich der gesamte Prozess wiederholen konnte. Wieder und wieder und wieder.
Die ganze Zeit über brüllte Gewalt in seinem Kopf. Er wollte sich befreien. Seine Gelüste waren nicht länger befriedigt, wie zum Zeitpunkt von Maddox’ Tod. Die Schreie der anderen verdammten Seelen, die ebenfalls vom Höllenfeuer verzehrt wurden, vermischten sich mit dem Gebrüll. Die Dämonen der Hölle – ekelerregende geflügelte Kreaturen mit rot glühenden Augen, skelettähnlichen Gesichtern und dicken, gelben Hörnern auf den Köpfen – flatterten von einer gepeinigten Seele zur nächsten und lachten sie aus, verhöhnten sie, bespuckten sie.
Ich habe auch so ein Ungeheuer in mir. Nur meins ist schlimmer als die hier.
Das wussten auch die Höllendämonen. „Willkommen zu Hause, Bruder“, spotteten sie jedes Mal, bevor sie ihn mit ihren glühenden, gegabelten Zungen ableckten.
Bisher hatte Maddox sich immer gewünscht, sich in Nichts aufzulösen, wenn das Feuer über ihn kam, und weder in die Hölle noch auf die Erde zurückzukehren. Bisher – aber nicht in dieser Nacht. Nicht dieses Mal.
In dieser Nacht wurde der Schmerz von der Sehnsucht überschattet.
In seinem Kopf tauchte Ashlyns Gesicht auf, das ihn noch viel mehr verhöhnte als die Teufel. Ich werde dir das pure Glück schenken, schienen ihre Augen zu sagen, während sich ihre weichen Lippen teilten, bereit für einen Kuss.
Sie gab ihm ein Rätsel auf, das er unbedingt lösen wollte. Ihr hellbraunes Haar und die warmen, bernsteinfarbenen Augen gaben ihm das Gefühl, er würde nach ewig langer Zeit endlich einen flüchtigen Blick auf den Himmel erhaschen. Die Frau war köstlich und saftig und so unglaublich weiblich, dass sie seine männlichen Instinkte direkt ansprach.
Überraschenderweise hatte sie darum gekämpft, bei ihm bleiben zu dürfen. Sie hatte sogar versucht, ihn vor den anderen zu retten, wie ihm erst jetzt klar wurde. Er verstand zwar nicht, weshalb, aber die Vorstellung gefiel ihm trotzdem.
Vorher hatte er vielleicht nicht gewusst, was er mit ihr machen würde, aber in diesem Moment wusste er es genau. Er wollte sie schmecken. Alles an ihr. Köder oder nicht. Jägerin oder nicht. Er wollte sie. Nach dem ganzen Leid verdiente er ein kleines Stück vom Glück.
In den Tagen, als er noch ein Elitekrieger der Götter war, hatte er sich nicht nach einer speziellen Frau gesehnt. Und danach hatte er sich immer genommen, was er kriegen konnte und wo er es kriegen konnte. Aber Ashlyn wollte er, weil sie Ashlyn war. Und er wollte sie sofort.
Wo hatte Lucien sie wohl untergebracht? In einem Nachbarzimmer? Lag sie auf dem Bett, den nackten Körper in Samt und Seide gehüllt? Genauso wollte er sie nehmen, beschloss Maddox just in diesem Moment. Nicht
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