Die Herren der Unterwelt 01 - Schwarze Nacht
gut?
Ein Gefühl der Freude erfüllte ihn, und er fuhr fort: „Ich habe es deutlich gespürt, als der Dämon in mich fuhr. Es war wie ein innerlicher Schlag, als würden Teile von mir sterben, um für etwas anderes Platz zu machen, für etwas, das stärker war als ich.“ Damals hatte er zum ersten Mal das Konzept des Todes verstanden – und er hatte keine Ahnung gehabt, wie intensiv er sich noch damit befassen sollte.
Ein weiterer zarter Seufzer entfuhr ihr. Er wusste nicht, ob sie tatsächlich verstand, was er ihr erzählte. Aber zumindest weinte sie nicht mehr und krümmte sich nicht mehr vor Schmerzen.
„Ich verlor meinen Willen, und der Dämon übernahm die Kontrolle über mich. Er zwang mich …“ Alles Böse zu tun, beendete er den Satz in Gedanken, während Bilder von Blut und Tod, Rauch und Asche und absoluter Verwüstung vor seinem geistigen Auge auftauchten. Er konnte dieses Wissen kaum selbst ertragen, und ganz bestimmt würde er Ashlyn nicht damit quälen.
Er erinnerte sich daran, wie sich der Klammergriff des Dämons irgendwann gelockert hatte – wie ein Nebelschleier, der langsam zerriss –, wie eine süß duftende Morgenbrise den schwarzen Rauch aus seinem Kopf geweht hatte und nur eine verhasste Erinnerung geblieben war.
Der Dämon hatte ihn gezwungen, Pandora zu ermorden, die Wächterin, die er aus ganzem Herzen hasste. Als sein Blutdurst gestillt war, hatte er sich in den hintersten Winkel von Maddox’ Seele zurückgezogen und ihn mit dem angerichteten Schaden alleingelassen.
„Er zwang mich, wegzugehen“, beendete er den Satz endlich und seufzte bei dieser Lüge. „Der Büchse aus dem Weg zu gehen.“
„Büchse“, wiederholte Ashlyn, und er erschrak. „Dämonen … davon habe ich schon mal gehört.“ Sie öffnete den Mund, um noch mehr zu sagen, aber dann zuckte sie zusammen. Mit einem Aufschrei griff sie blind nach der Schale.
Mit einem Satz sprang Maddox vom Bett und kam ihr blitzschnell zu Hilfe. Kaum hielt er ihr die Schale hin, beugte sie sich auch schon vor und würgte. Er hielt sie fest an sich gedrückt und redete leise und beruhigend auf sie ein, wie er es noch bei keinem anderen getan hatte. Jemanden zu trösten, war eine neue Erfahrung für ihn, und er betete, dass er es richtig machte. Seine Freunde hatte er nie getröstet. Sie ertrugen ihre Qualen genauso still wie er.
Als Ashlyn fertig war, bettete er sie wieder auf die Matratze und wischte ihr den Mund ab. Dann richtete er den Blick gen Decke. „Es tut mir leid, wie ich mit euch gesprochen habe“, flüsterte er zum Himmel. „Aber bitte lasst sie nicht für meine Sünden bezahlen.“
Als er sie wieder ansah, hatte er das Gefühl, sie schon seit einer Ewigkeit zu kennen. Ihm war, als wäre sie schon immer ein Teil seines Lebens gewesen. Eines Lebens, das sich in Nichts auflösen würde, wenn man sie ihm wegnähme. Wie war das möglich? Erst vor einer Stunde hatte er sich eingeredet, dass er sie umbringen könnte. Und jetzt …
„Lasst sie leben“, fügte er unwillkürlich hinzu, „und ich will alles tun, was ihr verlangt.“
Alles?, ertönte eine leise Stimme mit amüsiertem Unterton. Das war nicht die Stimme von Gewalt oder irgendeine andere Stimme, die er kannte.
Maddox erstarrte und blinzelte. Nach einigen Momenten verwandelte sich der Schreck in pure Verwirrung. „Wer ist da?“
Von seiner Frage aufgeschreckt, blickte Ashlyn ihn aus rotgeränderten Augen an. „Ich“, krächzte sie.
„Beachte mich nicht, meine Schöne, und schlaf.“
Was glaubst du denn, wer ich bin, Krieger? Kannst du nicht erraten, wer die Macht hat, auf diese Weise mit dir zu kommunizieren?
Ein weiterer Moment des Schreckens verstrich, bis es ihm langsam dämmerte. War das möglich? Ein … Titan? Jahrelang hatte er die Griechen angefleht, aber nicht ein Mal eine Antwort bekommen. Und schon gar nicht innerhalb weniger Sekunden. Hatten die Titanen Aeron nicht genau so zu sich gerufen, nur mit einer Stimme?
Hoffnung – und Furcht – breiteten sich in ihm aus. Falls diese Titanen wohlwollend waren, falls sie ihm helfen würden, vielleicht täte er dann wirklich alles für sie. Wenn sie jedoch boshaft waren und die Dinge nur noch verschlimmerten … Er ballte die Hände zu Fäusten.
Sie hatten Aeron befohlen, vier unschuldige Frauen umzubringen; sie konnten nicht gütig sein. Verdammt noch mal! Wie sollte er sich diesem Wesen gegenüber verhalten? Demütig? Oder würde ihm das als Schwäche ausgelegt?
Alles?, wiederholte
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