Die Herren der Unterwelt 01 - Schwarze Nacht
„Verflucht!“ Er schlug gegen das metallene Kopfende, wodurch seine Fingerknöchel weiter aufplatzten und wieder zu bluten begannen. Noch nicht befriedigt, wiederholte er das Ganze. Das Bett schepperte, und Ashlyn stöhnte vor Schmerzen.
Hör auf. Tu ihr nicht weh. Er zwang sich, stillzuhalten und ruhig zu atmen, um sich zum tausendsten Mal an diesem Tag zu beruhigen. Aber der dunkle Drang, Schaden anzurichten, war unglaublich stark. Beinahe nicht zu kontrollieren. Abgesehen von den wenigen Minuten nach seinem Kampf mit Aeron war er den ganzen Tag am Rande des Abgrunds getaumelt, und die jetzige Situation reizte ihn nur noch mehr. Er konnte jeden Moment die Grenze überschreiten und irreparablen Schaden anrichten.
„Sag mir, wie ich dir helfen kann“, wiederholte er.
„A-arzt.“
Ein Menschenheiler. Ja, genau. Er musste sie in die Stadt bringen, denn weder er noch die anderen Krieger hatten eine medizinische Ausbildung. Es hatte nie Bedarf bestanden. Aber was, wenn dieser Arzt sie über Nacht dabehalten wollte? Er schüttelte den Kopf. Das durfte er nicht zulassen. Womöglich erzählte sie den Jägern von ihren Erlebnissen auf der Burg und verriet ihnen, wie man die Herren der Unterwelt am besten schlagen konnte. Das wäre eine Katastrophe. Aber noch viel stärker beunruhigte ihn die Sorge, dass ihr jemand etwas antun und er sie nicht retten könnte.
Er musste den Arzt hierher holen.
Maddox gab ihr noch einen flüchtigen, weichen Kuss auf die eiskalten Lippen. Wieder spürte er einen Stromschlag – dieser war noch schwächer als der letzte, genauso schwach wie Ashlyn. Er ballte die Hände zu Fäusten. „Ich werde einen Arzt finden, meine Schöne, und ihn in die Burg bringen.“
Sie stöhnte, und endlich teilten sich ihre langen Wimpern. Bernsteinfarbene Seen aus Schmerz blickten ihn an. „Maddox.“
„Ich werde nicht lange weg sein, das verspreche ich dir.“
„Geh … nicht.“ Sie klang, als würde sie jeden Augenblick in Tränen ausbrechen. „Tut weh. Es tut so weh. Bleib hier.“
Er war innerlich zerrissen. Sollte er nachgeben oder Hilfe holen? Schließlich entschied er sich, zu bleiben. Er ging zur Tür und brüllte: „Paris! Aeron! Reyes!“ Seine Stimme hallte von den Flurwänden wider. „Lucien! Torin!“
Statt auf sie zu warten, lief er zurück zum Bett. Er verschränkte die Finger mit Ashlyns. Ihre waren kraftlos. „Was kann ich tun, um die Schmerzen zu lindern?“
„Lass mich nicht los“, stieß sie hervor. Ihr Atem ging flach. An den Mundwinkeln bildeten sich rote Streifen. Breitete sich das Gift langsam aus?
„Keine Sorge, das werde ich nicht.“ Mehr als alles andere auf der Welt wollte er ihr den Schmerz abnehmen. Was würde es ihm schon ausmachen, noch ein bisschen mehr zu leiden? Nichts. Aber sie … Was? Er wusste es nicht.
Stöhnend hielt sie sich den Bauch, rollte sich auf die Seite und krümmte sich zu einem Ball. Maddox strich ihr mit der freien Hand die Haare hinter das nasskalte Ohr. „Kann ich sonst noch etwas tun?“
„Weiß nicht.“ Sie sah ihn aus glasigen Augen an. „Muss ich … sterben?“
„Nein!“ Er hatte nicht schreien wollen, aber es war einfach so aus ihm herausgeplatzt. „Nein“, wiederholte er leiser. „Das hier ist meine Schuld, und ich werde es nicht zulassen.“
„Mit Absicht?“
„Niemals.“
„Warum dann?“, keuchte sie. Dann stöhnte sie wieder.
„Aus Versehen. Der Wein war nicht für Menschen bestimmt.“
Er wusste nicht, ob sie ihn hörte oder nicht, denn sie reagierte nicht. „Ich muss …“ Sie würgte und hielt sich die Hand vor den Mund.
Er griff nach der leeren Obstschale und hielt sie ihr hin. Sie beugte sich über die Bettkante und entleerte ihren Magen. Fürsorglich hielt er ihr die Haare aus dem Gesicht.
War es gut oder schlecht, dass sie sich übergab?
Ashlyn ließ sich in genau dem Moment auf die Matratze zurückfallen, als Reyes und Paris ins Zimmer gestürmt kamen. Beide Männer sahen verwirrt aus. „Was?“, fragte Reyes.
„Was ist los?“ Paris. Er schwitzte, und die angespannten Fältchen um seine Augen waren tiefer als zuvor.
Reyes Arme bluteten wieder, seine Hand war geschwollen, und er hielt zwei Messer im Anschlag, bereit zum Kampf. Er ließ den Blick im Raum umherschweifen und seine Verwirrung wuchs. „Brauchst du Hilfe dabei, ihr den Todesstoß zu versetzen?“
„Nein! Der Wein … die Ambrosia, die Paris immer hineinmischt. Ich habe ihr davon gegeben“, gestand er reumütig.
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