Die Herren der Unterwelt 02 - Schwarzer Kuss
ihr bedeutete. Sie ließ die Schultern hängen. Ich muss einfach wieder die alte sein und die Dinge leichter nehmen. Ich muss es ruhig angehen lassen. Kein Streicheln mehr, kein Hautkontakt.
„Verdammter Cronus“, murmelte sie, während ihr plötzlich die Tränen über die Wangen rannen.
Lucien hatte sich in seine Wut hineingesteigert.
Das war ihm erst einmal passiert – eine unglaubliche Wut, die über Tage anhielt. Es war nach Mariahs Tod passiert. Danach hatte er sich geschworen, dass ihm das nie wieder passieren würde. Aber als er Anya mit Cronus sprechen sah, konnte er sich nicht länger zurückhalten. Er war in die dunklen Abgründe des Zorns gerutscht.
Vor seinen Augen flimmerte es rot, kalter Schweiß rann seinen Nacken hinab. In seinem Kopf tobte sein Dämon wie eine Todesfee. Jeder Atemzug war so heiß, dass Lucien ihn wahrnahm. Er war mehr Dämon als er selbst. Jeder Gedanke war dunkler als der vorherige.
Es war ihm gelungen, das Kopfteil des Bettes zu zerlegen. Damit waren die Ketten gelöst, aber er selbst konnte sich nicht von ihnen befreien. Danach zog er eine Spur der Verwüstung durch das Haus. Die Ketten verhinderten, dass er sich entmaterialisieren konnte. Aber auch das war ihm schließlich egal. Er war zu sehr damit beschäftigt, sich aufzuregen. Er war zu sehr damit beschäftig, sich vorzustellen, wie er tötete und folterte. Lucien wollte Blut sehen. Wenn einer der anderen Krieger in diesem Moment den Raum betreten hätte – Lucien hätte ihn angegriffen. Es wäre ihm nicht möglich gewesen, sich zusammenzureißen. Und auch das wäre ihm völlig gleichgültig gewesen.
Cronus hätte Anya töten können, und Lucien hätte keine Chance gehabt, ihr zu Hilfe zu kommen. Er war auch damals nicht in der Lage gewesen, Mariah zu helfen. Seitdem saß ihm die Schuld wie ein Stachel im Fleisch. Anya allerdings … Er brüllte laut auf.
„Äh … möchtest du mir etwas sagen?“ Eine Frauenstimme erklang hinter ihm, als sein Schrei verstummt war.
Als er sie hörte, drehte er sich wütend um. Er sah die Silhouette einer Frau. Helles Haar, schmale Schultern. Er fasste den Griff seines Schwerts fester. Töten. Töten.
Böse funkelnd stapfte er auf sie zu.
Sie wich einen Schritt zurück. „Lucien?“
Er hob das Schwert und schwang es bedrohlich über seinem Kopf. TÖTEN. Er senkte die Klinge und zielte auf den Hals der Frau. Sie musste sich bewegt haben, denn das Schwert landete nicht auf ihrem Hals, sondern auf dem Boden. Er fluchte.
Einen Moment später spürte er, dass ihm jemand auf die Schulter tippte.
Er wirbelte herum. Eine Faust landete auf seiner Nase. Sein Kopf kippte zur Seite, und er spürte, wie ihm warme Nässe über Lippen und Kinn rann.
„Reg dich lieber ab, Tod, sonst werde ich noch wütend.“
Wieder hob er das Schwert, aber dieses Mal wurde es ihm aus der Hand geschlagen. Mit einem Schrei warf er sich auf die Frau und schüttelte sie wie irre. Er wollte sie zerreißen.
„Lucien“, sagte sie mit beruhigender Stimme. Sie klang fast, als wolle sie ihn hypnotisieren. „Lucien. Im Ernst. Ich bin doch keine Puppe. Beruhige dich. Erzähl mir, was los ist.“
Schließlich kam ihm zu Bewusstsein, in welcher Verfassung er war. Der Mann in ihm bekam wieder Oberhand über den Dämon. Die Haut der Frau war heiß – er erkannte diese Hitze. Sie roch nach Erdbeeren und Sahne – auch den Duft kannte er.
„Erzähl der kleinen Anya, was in deinem Dickschädel vorgeht“, säuselte sie. Er spürte, wie zarte Hände seine Wange streichelten. „Bitte, bitte.“
Anya.
Der Name löste etwas in seinem Kopf aus, der Klang drang durch den roten Nebel und löste ihn auf. Er blinzelte, und vor ihm erschien eine wunderschöne Elfe. Ihr Haar fiel ihr über die Schultern. Sie hatte hellblaue Augen, rosige Wangen.
„Anya?“
„Ich bin hier, Liebster.“
Götter im Himmel! Er sah sich im Zimmer um. Das Mobiliar war zerschlagen, überall befand sich Blut. Sein Blut! Er hatte sich die Hände verletzt, als er mit den Fäusten gegen die Wände geschlagen hatte. Bedauern überkam ihn.
Nicht schon wieder.
„Habe ich dir etwas getan?“ Er wandte sich wieder der Frau zu, die in seinen Armen lag und betrachtete sie aufmerksam. Ihre samtige Haut war unverletzt, ihre Augen strahlten. Sie trug ein schwarzes T-Shirt und enge schwarze Jeans. Ihre Kleidung wies keine Spuren eines Kampfs auf. An den Füßen trug sie glänzende schwarze Absatzschuhe, durch die offenen Spitzen schimmerten schwarz
Weitere Kostenlose Bücher